I. Einleitung
Der Berichtszeitraum war von einer besonderen gesetzgeberischen Betriebsamkeit geprägt. Unzählige Gesetze mit mietrechtlichem Bezug wurden noch verabschiedet. Hierzu zählen Änderungen des Mietspiegelrechts, aber auch Vorschriften über den Kündigungsschutz bei der Umwandlung vermieteter Wohnungen in Eigentumswohnungen durch das Baulandmobilisierungsgesetz und des Modernisierungs- und Betriebskostenrechts durch das Telekommunikationsdienstleistungsgesetz, um einen schnelleren Ausbau des Glasfasernetzes und durch das Gebäude-Elektromobilitätsinfrastrukturgesetz (GEIG) zum Ausbau eine Ladestationeninfrakstuktur zu forcieren. Zahlreiche kleinteilige Regelungen müssen in Zukunft umgesetzt und beachtet werden. Die Änderungen der HeizkostenVO sind inzwischen vom Bundeskabinett verabschiedet worden und sollen im September vom Bundesrat verabschiedet werden; die Wärme- und KältelieferungsVO ist vom Bundesrat am 26.6.2021 beschlossen worden, aber bisher ebenso wenig verkündet worden, wie die "Dritte Verordnung zur Änderung der Mess- und Eichverordnung" oder die MietspiegelVO.
Durch die Rechtsprechung zog sich weiterhin wie ein roter Faden die Frage, inwieweit die pandemiebedingten Nutzungsbeschränkungen Auswirkungen auf Mietverhältnisse haben. Inzwischen sind die ersten beiden Verfahren bei BGH angekommen. Man kann nur hoffen, dass dort zeitnah die Richtung vorgegeben wird, auch wenn sicher jeder Einzelfall wegen der unterschiedlichen Betroffenheit verschieden zu bewerten ist.
II. Abgrenzung Wohnraum von Gewerberaummiete
Die Einordnung eines Mietvertrags als Wohn- oder Geschäftsraummietvertrag hat sowohl für die Ermittlung des maßgeblichen Regelungsregimes eine wesentliche Bedeutung wie auch für die prozessuale Behandlung. In der Wohnraummiete sind die Mieterschutzvorschriften erheblich stärker ausgeprägt. Bei der Entscheidung der Frage, ob ein Mietverhältnis über Wohnraum vorliegt, ist auf den Zweck abzustellen, den der Mieter mit der Anmietung des Mietobjekts vertragsgemäß verfolgt (BGHZ 223, 290 = NZM 2020, 54; BGHZ 202, 39 = NJW 2014, 2864; BGHZ 94, 11 = NJW 1985, 1772). Entscheidend ist, ob der Mieter die Räume nach dem Vertrag zu eigenen Wohnzwecken anmietet. Steht demgegenüber die Vermietung zu Zwecken im Vordergrund, die keinen Wohnraumcharakter haben, ist allgemeines Mietrecht maßgebend. Das ist z.B. dann Fall, wenn der Mieter die Räume weitervermietet oder sonst Dritten – auch zu Wohnzwecken – überlässt.
Welcher Vertragszweck bezweckt ist, ist durch Auslegung der getroffenen Vereinbarung zu ermitteln. Eine juristische Person kann z.B. gar nicht wohnen. Aber auch dann, wenn eine natürliche Person acht Wohnungen in einem Haus anmietet, spricht dies gegen eine eigene Wohnungsnutzung. Regelmäßig wird es sich um einen Fall der gewerblichen Zwischenvermietung gem. § 565 Abs. 1 S. 1 BGB handeln.
Hinweis:
Die Parteien können auch in einem Gewerberaummietvertrag strengere Regeln vereinbaren. Dies kann hinsichtlich einzelner Punkte, also z.B. der Beschränkung des Kündigungsrechts aber auch durch Vereinbarung der Geltung des gesamten Wohnraummietrechts erfolgen. Jedoch reicht allein die Bezeichnung des Mietvertrages als Wohnraummietvertrag und die Vereinbarung des Zwecks der Vermietung zu Wohnzwecken, hierzu nicht aus. Maßgeblich ist auf den Zweck abzustellen, den der Mieter mit der Anmietung des Mietobjekts vertragsgemäß verfolgt. Die Überschrift ist dabei allenfalls ein Indiz (BGH NZM 2021, 218 = MDR 2021, 411 = GE 2021, 496 = MietPrax-AK § 549 BGB Nr. 2 mit Anm. Börstinghaus; Mettler MietRB 2021, 98; Beuermann GE 2021, 471; Börstinghaus jurisPR-BGHZivilR 9/2021 Anm. 2; Drasdo NJW-Spezial 2021, 290).
III. Bedeutung einer Vollständigkeitsklausel
In vielen Mietverträgen befinden sich Klauseln wie "mündliche Nebenabreden bestehen nicht", "mündliche Nebenabreden wurden nicht getroffen" oder "mündliche Nebenabreden existieren nicht". Mit solchen Formulierungen soll unabhängig davon, ob es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt oder ob sie individuell ausgehandelt wurden, bestätigt werden, dass der Vertragstext alle zwischen den Parteien vereinbarten Vereinbarungen enthält. Unabhängig davon, ob der Vertrag eine solche Vollständigkeitsklausel enthält oder nicht, spricht für deren Inhalt bereits der Anscheinsbeweis der Vollständigkeit und Richtigkeit der Urkunde. Eine solche tatsächliche Vermutung kann genauso widerlegt werden wie eine Vollständigkeitsklausel und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine Formularklausel oder eine Individualvereinbarung handelt. Eine andere Frage ist es, ob eine solche Formulierung im Vertrag zugleich den Inhalt haben soll, dass mit Abschluss des schriftlichen Vertrags vorherige mündliche Abreden keine Wirkung mehr haben sollen. Dies ist durch Auslegung zu ermitteln und nur in Ausnahmefällen der Fall (BGH WuM 2021, 348 = GE 2021, 498 = MDR 2021, 550 = MietPrax-AK § 305b BGB Nr. 1 mit Anm. Börstinghaus; Lehmann-Richter MietRB 2021, 136; Drasdo NJW-Spezial 2021, 321; Lehmann-Richter LMK 2021, 807627).
IV. Schriftform
Mietverträge mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr bedürfen bekanntlich de...