Bemerkt der Antragsteller sein Versehen, eine oder mehrere Kostenpositionen noch nicht zum Gegenstand seines Kostenfestsetzungsantrags gemacht zu haben, zu einem Zeitpunkt, zu dem der Kostenfestsetzungsbeschluss bereits rechtkräftig ist, ist Folgendes zu beachten:
Die materielle Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses steht einer erneuten Kostenfestsetzung entgegen, soweit derselbe Streitgegenstand betroffen ist (BGH RVGreport 2011, 309 [Hansens]; BGH BRAGOreport 2003, 57 [ders.] = JurBüro 2003, 260; BPatG zfs 2023, 101 m. Anm. Hansens = AGS 2022, 521 [Hansens]). Versehentlich in einem ersten Kostenfestsetzungsverfahren nicht geltend gemachte Posten sind demgegenüber der Nachliquidation zugänglich (BVerfG NJW 1995, 1886; BGH NJW 2009, 3104; FamRZ 2011, 1222; BGH RVGreport 2011,28 [Hansens] = zfs 2011, 101 m. Anm. Hansens = AGS 2010, 580 m. zust. Anm. N. Schneider; OLG München MDR 2003, 55; OLG Düsseldorf AGS 2006, 201; OLG Stuttgart RVGreport 2009, 312 [Hansens]; OLG Celle AGS 2010, 582 m. zust. Anm. N. Schneider; LG Trier JurBüro 2012, 250; Zöller/Herget, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 104 Rn 21.61 „Nachliquidation” m.w.N.).
Ob ein solcher Fall vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Hat der Erstattungsberechtigte in seinem ersten Kostenfestsetzungsantrag seinen gesamten Erstattungsanspruch geltend gemacht, gibt er damit zu erkennen, dass er eben diesen ganzen Anspruch und nicht nur einen Teil davon festgesetzt haben will. In einem solchen Fall sollte kein Rest zurückgestellt werden, der einer Nachforderung und damit einer Nachfestsetzung zugänglich gewesen wäre. Über diesen Anspruch hat dann der Rechtspfleger rechtskräftig entschieden (so BGH RVGreport 2011, 309 [Hansens]).
a) Nachfestsetzung unzulässig
In Anwendung dieser Grundsätze ist eine Nachfestsetzung in folgenden Fällen unzulässig:
- Die erstattungsberechtigte Partei stellt nach gesetzlicher Änderung der Zinshöhe einen Antrag auf Ergänzung der Verzinsung des Erstattungsbetrags (so JurBüro 2003, 260 = BGH BRAGOreport 2003, 57 [Hansens] = NJW 2003, 1462).
- Der Nachfestsetzungsantrag wird auf einen höheren Gegenstandswert gestützt als der Antragsteller in seinem ursprünglichen Kostenfestsetzungsantrag zugrunde gelegt hat. In dem vom BGH (RVGreport 2011, 309 [Hansens] = AGS 2011, 566 m. Anm. N. Schneider) entschiedenen Fall wurde im Nachfestsetzungsantrag unter Ansatz eines weit höheren Gegenstandswerts als in dem beschiedenen Kostenfestsetzungsantrag eine um rund 98.000 EUR höhere Verfahrensgebühr geltend gemacht. Der Rechtspfleger hatte dem Nachfestsetzungsantrag entsprochen. Wird also versehentlich ein zu niedriger Gegenstandswert angesetzt, so kann dies nach Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses im Regelfall nicht durch einen Nachfestsetzungsantrag korrigiert werden.
- Eine Nachfestsetzung ist auch dann unzulässig, wenn die erstattungsberechtigte Partei in ihrem Kostenfestsetzungsantrag irrtümlich von der Geltung des alten Gebührenrechts ausgegangen ist (a.A. OLG Köln RVGreport 2016, 380 [Hansens] = zfs 2016, 588 m. Anm. Hansens = AGS 2016, 473). Mit einem Nachfestsetzungsantrag kann dann nicht mehr die sich aus dem neuen Gebührenrecht ergebende Gebührendifferenz geltend gemacht werden. Auch hier steht die Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses der Nachfestsetzung entgegen (BGH RVGreport 2011, 309 [Hansens] = AGS 2011, 566 m. Anm. N. Schneider für die Nachliquidation nach einem höheren Gegenstandswert; a.A. OLG Hamburg MDR 1979, 235). Hierauf sollte gerade im Hinblick auf die Änderungen des RVG zum 1.1.2021 durch das KostRÄndG 2021 geachtet werden (zum Übergangsrecht s. ausführlich N. Schneider AGS 2021, 1 ff.).
b) Nachfestsetzung zulässig
Demgegenüber wird trotz der eingetretenen Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses die Nachfestsetzung in folgenden Fallgestaltungen für zulässig erachtet:
- Es wird die Nachfestsetzung einer Erörterungsgebühr nach antragsgemäßer Festsetzung der Prozess- und der Vergleichsgebühr beantragt (so KG Rpfleger 1976, 366). Dies gilt auch für andere „vergessene” Gebühren wie etwa die Einigungsgebühr.
- Der Anwalt des Antragstellers hat in dem Kostenfestsetzungsantrag zunächst nur die 0,5 Terminsgebühr nach Nr. 3105 VV RVG geltend gemacht und erst nach Rechtskraft des hieraufhin antragsgemäß ergangenen Kostenfestsetzungsbeschlusses bemerkt, dass er in dem Verhandlungstermin die Sache einseitig mit dem Richter erörtert hatte. Der Erstattungsberechtigte kann in diesem Fall die Differenz zwischen der bereits festgesetzten 0,5 Terminsgebühr und der nach Nr. 3104 VV RVG tatsächlich angefallenen 1,2 Terminsgebühr im Wege der Nachfestsetzung geltend machen (s. OLG Frankfurt a.M. JurBüro 2017, 528 = AGS 2017, 452 = RVGreport 2017, 383 [Hansens]).
- Der Erstattungsberechtigte macht für seinen Prozessbevollmächtigten und seinen Patentanwalt statt der tatsächlich angefallenen bzw. erstattungsfähigen 1,5 Terminsgebühr nach Nr. 3210 VV RVG nur eine 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3201 VV RVG geltend und beantragt nach Rechtskraft des antragsgemäß erlassenen Kostenfestsetzungsbeschlu...