Den Karlsruher Verfassungsrichtern liegt – erneut – die Frage vor, ob die gesetzliche Altersgrenze für Notare (derzeit: 70. Lebensjahr) mit der Verfassung vereinbar ist. In den vergangenen rund drei Jahrzehnten hat das BVerfG sich bereits mehrfach zu dieser Rechtsfrage geäußert und die Altersgrenze jedes Mal entweder bestätigt oder die betreffende Verfassungsbeschwerde erst gar nicht angenommen (vgl. etwa Entscheidungen v. 29.10.1992 – 1 BvR 1581/91, v. 5.1.2011 – 1 BvR 2870/10 und v. 27.6.2014 – 1 BvR 1313/14).
In dem aktuell beim BVerfG anhängigen Verfahren (1 BvR 1796/23) macht der Beschwerdeführer – ein Anwaltsnotar aus Dinslaken – allerdings geltend, dass derzeit ein demographisch bedingter Bewerbermangel herrsche, der dazu führe, dass Notare bei Überschreiten der Altersgrenze Stellen freigeben, auf die keine jungen Notare nachfolgen würden. Die Altersgrenze sei aufgrund dieser Entwicklung nicht mehr erforderlich. Daher trage die bislang ergangene Verfassungsrechtsprechung zu dieser Frage nicht mehr, und eine Neubeurteilung sei angezeigt. Die Bundesrechtsanwaltskammer und der Deutsche Anwaltverein haben sich in ihren Stellungnahmen zu dem Verfassungsbeschwerdeverfahren dafür ausgesprochen, auch diese Beschwerde zurückzuweisen.
Die Altersgrenze greife zwar in die Grundrechte der betroffenen Notare ein, sie sei jedoch durch überwiegende Interessen des Allgemeinwohls gerechtfertigt, führen die beiden Anwaltsorganisationen aus. Insbesondere sei die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege, die durch die Schaffung einer geordneten Altersstruktur im Notariat sichergestellt werden solle, ein legitimes Ziel und stelle ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut dar. Ohne die Altershöchstgrenze wäre eine ausgewogene Altersstruktur im Notariat nicht mehr zu gewährleisten. Eine Abschaffung würde dazu führen, dass eine geordnete Planung von Notarstellen und ein dauerhafter Erhalt einer flächendeckenden Notariatsstruktur nicht mehr gewährleistet werden könnte. Jüngere Bewerber könnten nur noch im Rahmen freiwerdender Notarstellen Berücksichtigung finden; damit würde die Motivation, durch erheblichen Einsatz persönlicher und wirtschaftlicher Ressourcen die Voraussetzung für die Bestellung zum Anwaltsnotar zu schaffen, mangels Planbarkeit erheblich abnehmen. Die Folge wäre, dass geeignete Bewerberinnen bzw. Bewerber im Falle einer kurzfristigen Ausschreibung nicht zur Verfügung stünden. Die ausreichende und flächendeckende Versorgung mit notariellen Dienstleistungen würde dadurch in den Bereichen des Anwaltsnotariats erheblich gefährdet. Zudem müsste befürchtet werden, dass ein Verzicht auf die Altersgrenze rasch zu einer Überalterung des Berufsstandes führen würde und den Rechtsuchenden in zunehmendem Maße nur noch lebensältere Notare zur Verfügung stünden.
Das Argument des Beschwerdeführers, mit dem sich bereits vollziehenden demografischen Wandel habe sich die Lage auf dem Markt grundlegend verändert, halten BRAK und DAV für nicht stichhaltig. Wie bereits der zuvor mit der Sache befasste Bundesgerichtshof kommen sie zu dem Schluss, dass die zeitweise Nichtbesetzung von Notarstellen in einigen Notarbezirken nicht auf die Demografie, sondern auf strukturelle Umstände, wie etwa die örtlich festgelegten Wartezeiten, zurückzuführen seien. Eine strukturelle, flächendeckende Unterbesetzung von Notarstellen habe der Verfassungsbeschwerdeführer nicht aufgezeigt.
[Quellen: BRAK/DAV]