Das SGB XIV enthält nunmehr eine systematische Gliederung der Anspruchsvoraussetzungen und der Leistungen. Hierzu zunächst folgender Überblick:
Nach § 1 Abs. 1 unterstützt Soziale Entschädigung Menschen, die durch ein schädigendes Ereignis, für das die staatliche Gemeinschaft eine besondere Verantwortung trägt, eine gesundheitliche Schädigung erlitten haben, bei der Bewältigung der dadurch entstandenen Folgen. Schädigende Ereignisse nach Abs. 2 der Vorschrift sind:
- Gewalttaten (§§ 13 ff., s. hierzu näher unten IV.1.),
- Kriegsauswirkungen beider Weltkriege (§§ 21 f.),
- Ereignisse im Zusammenhang mit der Ableistung des Zivildienstes (§ 23) sowie
- Schutzimpfungen oder andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe (§ 24),
die eine gesundheitliche Schädigung verursacht haben.
Berechtigte der Sozialen Entschädigung sind nach § 2 Abs. 1 Geschädigte (Legaldefinition in § 2 Abs. 2), Angehörige (Abs. 3), Hinterbliebene (Abs. 4) und Nahestehende (Abs. 5). Die Leistungsansprüche der Berechtigten werden durch § 6 unterschiedlich ausgestaltet. Ausländer haben dieselben Ansprüche wie Deutsche gem. § 7.
Das Leistungsspektrum der Sozialen Entschädigung ergibt sich aus § 3:
- Zu erwähnen sind hier vor allem die in Nr. 1 als „Herzstück” der Reform des SER bezeichneten (Knickrehm, ASR 2022, 12, 14) Leistungen des Fallmanagements und diejenigen in einer Traumaambulanz als Schnelle Hilfen §§ 29 ff., s. näher unten V. 2.;
- Nr. 2, die Krankenbehandlung (grds. nach den Regeln des SGB V), §§ 41 ff., wie Krankenbehandlung, Versorgung mit Hilfsmitteln (jetzt nach § 31 SGB VII, s. § 46 Abs. 1 Nr. 1), Krankengeld, Beihilfe;
- Nr. 3, Leistungen zur Teilhabe, §§ 62 ff., und zwar zur Teilhabe am Arbeitsleben, Teilhabe an Bildung, zur sozialen Teilhabe und zur medizinischen Rehabilitation;
- Nr. 4, Leistungen bei Pflegebedürftigkeit (generell nach den Bestimmungen des SGB XI), §§ 74 ff.;
- Nr. 5, Leistungen bei hochgradiger Sehbehinderung, Blindheit und Taubblindheit, § 82;
- Nr. 6, Entschädigungszahlungen an Geschädigte und Hinterbliebene, §§ 83 ff.: Neu ist, dass sämtliche Leistungen dieses Kapitels anrechnungsfrei gewährt werden. Die an Geschädigte entrichtete monatliche Entschädigungszahlung ist hinsichtlich der Höhe nach dem Grad der Schädigungsfolgen (GdS), s.u., gestaffelt und orientiert sich an der in § 31 BVG geregelten Grundrente;
- Nr. 7, Berufsschadensausgleich, §§ 89 ff.: Der bereits im BVG gem. § 30 Abs. 3–15 geregelte Berufsschadensausgleich dient dem Ausgleich eines durch die anerkannten Schädigungsfolgen bedingten Verlustes an Erwerbseinkommen in generalisierter und pauschaler Form (s. näher Knickrehm/Mushoff/Schmidt, a.a.O., Rn 277);
- Nr. 8, besondere Leistungen im Einzelfall, §§ 92 ff.: Es handelt sich hierbei um „Fürsorgeleistungen” des SGB XIV (sie ersetzen die §§ 25–27 BVG), die ergänzende Funktion für die anderen Leistungen des SER haben und nur subsidiär gewährt werden, also nur, wenn die Berechtigten nicht in der Lage sind, ihre Bedarfe nach dem SGB XIV aus ihrem Einkommen und Vermögen zu decken. Der Katalog dieser Leistungen findet sich in § 92 Abs. 4, und zwar gegenüber den Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII als eigenständige Tatbestände. Für den Einsatz von Einkommen und Vermögen gelten die Vorschriften der §§ 105 ff., mit Ausnahme der Leistung zur Förderung einer Ausbildung nach § 92 Abs. 4 Nr. 2. Bei der Anrechnung wird auf Vorschriften des SGB XII als Maßstab verwiesen, welche im SGB XIV teilweise „großzügiger” sind, s. § 105 Abs. 3 (näher zu den Leistungen nach §§ 92 ff. bei Knickrehm/Mushoff/Schmidt, a.a.O., Rn 287 ff.);
- Nr. 9, Leistungen bei Überführung und Bestattung, § 99.
Allgemeine Leistungsvoraussetzungen ergeben sich aus §§ 4–12. Zu Fragen des für die Anspruchsberechtigung erforderlichen Ursachenzusammenhangs, § 4, s. u. III.2.
§ 5 Abs. 1 enthält Bestimmungen zur Bemessung des GdS nach Zehnergraden von 10–100. Der GdS kann
- den Leistungsanspruch auslösen, so den Berufsschadensausgleich, § 89 Abs. 1 Nr. 1;
- für den Umfang der Leistung bedeutsam sein, wie bei der Krankenbehandlung nach § 42 Abs. 2;
- sowie die Höhe der Geldleistungen bestimmen, s. zur Entschädigungszahlung nach § 83 Abs. 1.
Die für die Bewertung des GdS maßgeblichen Grundsätze finden sich in der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV), wofür § 5 Abs. 2 Nr. 1 eine neue Ermächtigungsgrundlage schafft. In Nr. 2, 3 der Norm finden sich ergänzende Ermächtigungen für Grundsätze, die für die Kausalitätsbeurteilung nach § 4 Abs. 4–6 (s. hierzu näher unten III.2) maßgebend sind und in Nr. 3 für die Regelung des Verfahrens zur Aufstellung und Fortentwicklung der in Nr. 1, 2 genannten Grundsätze.
Grundsätzlich sind die Leistungen der Sozialen Entschädigung antragsabhängig (§ 10 Abs. 1). Die Absätze 2–6 der Norm enthalten hierzu differenzierte und zum Teil von dem Grundsatz abweichende Regelungen. Es empfiehlt sich, die Bestimmungen genau zu lesen, wenn im Einzelfall der Leistungsbeginn – s. hierzu die einzelnen Vorschriften in den fünf Absätzen des § 11 (s.u. III.3) – zu p...