a) Kündigung wegen Zerrüttung
Ein Mietverhältnis ist wie eine Ehe ein Dauerschuldverhältnis. Es setzt ein wechselseitiges Vertrauensverhältnis voraus. Eine Ehe kann geschieden werden, wenn sie von beiden Partnern als zerrüttet eingeschätzt wird. Dabei spielt Verschulden keine Rolle. Anders ist es aber im Mietrecht. Hier reicht eine Zerrüttung des Mietverhältnisses im Sinne einer Zerstörung der das Schuldverhältnis tragenden Vertrauensgrundlage allein, ohne dass festgestellt werden kann, dass diese zumindest auch durch ein pflichtwidriges Verhalten des anderen Vertragsteils verursacht worden ist, grds. nicht aus, um einer Mietvertragspartei ein Recht zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses gem. § 543 Abs. 1 BGB zuzubilligen (BGH, Urt. v. 29.11.2023 – VIII ZR 211/22, WuM 2024, 139 = MDR 2024, 430 = NJW-RR 2024, 355 = NZM 2024, 278 = GE 2024, 237 = ZMR 2024, 467 = MietPrax-AK/Eisenschmid, § 543 BGB Nr. 49; Burbulla, MietRB 2024, 66; Börstinghaus, jurisPR-BGHZivilR, 6/2024 Anm. 3; Drasdo, NJW-Spezial 2024, 257; Börstinghaus, LMK 2024, 811455). Der Anwendung des Zerrüttungsprinzips steht nach Ansicht des VIII. Senats entgegen, dass ein wichtiger Grund zur Kündigung von Dauerschuldverhältnissen im Allgemeinen nur dann gegeben ist, wenn der Grund, auf den die Kündigung gestützt wird, im Risikobereich des anderen Vertragsteils liegt. Das hat schon der XII. Senat so gesehen (BGH, Urt. v. 15.9.2010 – XII ZR 188/08, NJW-RR 2011, 89 Rn 11; BGH, Urt. v. 23.1.2002 – XII ZR 5/00, NJW-RR 2002, 946). Der VIII. Senat schließt sich ausdrücklich dieser Rspr. an.
Hinweis:
Eine Pflichtverletzung konnte der BGH auch nicht in der Erstattung der gegen den Vermieter gerichteten Strafanzeige durch den Mieter sehen. Die in der Anzeige gemachten Angaben entsprachen der Wahrheit.
b) Früchte des verbotenen Baums
Beweisverwertungsverbote gibt es nicht nur im Strafrecht. Auch im Zivilprozess können sie eine Rolle spielen, wenn es z.B. darum geht, dem Mieter ein konkretes Fehlverhalten nachweisen zu können. Der für Schadensersatzansprüche zuständige VI. Senat hatte sich mit einem Fall zu beschäftigen, in dem ein Wohnungsunternehmen mittels Videoüberwachung nachweisen wollte, dass der Mieter eine ungenehmigte Untervermietung vorgenommen hat. Der Mieter verlangte wegen dieser Überwachung eine Geldentschädigung.
Der BGH (BGH, Urt. v. 12.3.2024 – VI ZR 1370/20, WuM 2024, 388 = MietPrax-AK/Eisenschmid, § 543 BGB Nr. 50) hat das die Räumungsklage abweisende Urteil des LG Berlin bestätigt. Er hatte die Frage, ob die auf einer unzulässigen Videoüberwachung beruhenden Erkenntnisse einer Partei bei der gerichtlichen Entscheidungsfindung verwertet werden dürfen, unter Berücksichtigung der Vorgaben der DSGVO zu beurteilen. Vorliegend stützte die Vermieterin ihre Erkenntnisse auf die durch die von der Privatdetektivin durchgeführte verdeckte und gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstoßende Videoüberwachung der Wohnungseingangsbereiche. Diese Erkenntnisse durften nach der im Lichte der Verfassung auszulegenden Bestimmung in § 286 Abs. 1 ZPO, die aufgrund der Öffnungsklausel in Art. 6 Abs. 3 S. 1 Buchst. b DSGVO zur Anwendung berufen ist, und den Anforderungen des im Lichte der Charta der Europäischen Union auszulegenden Art. 6 Abs. 3 S. 4 DSGVO entspricht, im Räumungsrechtsstreit nicht berücksichtigt werden. Der gerichtlichen Verwertung der rechtswidrig erlangten Erkenntnisse standen das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beklagten in der Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung und ihr Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung entgegen.
Demgegenüber stand dem Mieter aber auch der mit der Widerklage geltend gemachte Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung nicht zu. Nach der Rspr. des VI. Senats begründet die schuldhafte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf eine Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Diese Voraussetzungen waren vorliegend nicht gegeben. Zwar war die Beeinträchtigung der räumlichen Privatsphäre der Mieter und deren Recht auf informationelle Selbstbestimmung erheblich; auf der anderen Seite war aber zu berücksichtigen, dass der rechtswidrige Eingriff nicht gegen die Grundlagen ihrer Persönlichkeit gerichtet war. Der unantastbare Kernbereich der privaten Lebensgestaltung war nicht tangiert. Die Vermieterin hat allenfalls fahrlässig gehandelt. Die Beweggründe für das Handeln der Vermieterin waren in Erfahrung zu bringen und ggf. beweisbar zu machen, ob und wenn ja, welchen Dritten die Wohnungen zur Nutzung überlassen wurden. Dafür gab es auch nach Ansicht des BGH ausreichenden Anlass. Schließlich hat der Senat bei der Gesamtwürdigung berücksichtigt, dass der Mieter eine gewisse Genugtuung dadurch erfährt, dass die Rechtswidrigkeit der Videoüberwachung und -aufzeichnung im vorliegenden Verfahren festgestellt wird und ein Verbot der Verwertung der daraus gewonnenen Erkenntnisse zur Folge hat.