1. Beweislast
Seit den Tornados des BGH aus dem Jahr 2015 (BGH, Urt. v. 18.3.2015 – VIII ZR 185/14, BGHZ 204, 302 = NJW 2015, 1594 = NZM 2015, 374 = GE 2015, 649 = DWW 2015, 175 = WuM 2015, 338 = ZMR 2015, 685) war es still um das Thema Abwälzung von Schönheitsreparaturen geworden. Veröffentlichte Entscheidungen zu dem Thema gab es so gut wie keine mehr. In der Folgezeit verlagerte sich die Diskussion auf das Thema der Rechtsfolgen unwirksamer Schönheitsreparaturklauseln.
Zumindest in der Literatur (Graf v. Westphalen, NZM 2016, 10; Kappus, NZM 2016, 615 f.; H. Schmidt, NJW 2016, 1201, 1203; BeckOGK-BGB/H. Schmidt, Stand 1.10.2023, § 535 Rn 403.3) wurde aber weiter intensiv über die vom BGH 2015 ausgesprochene Beweislastverteilung über den Prüfungspunkt, ob die Wohnung unrenoviert übergeben worden war, diskutiert. Der VIII. Senat hatte damals dem Mieter die Beweislast auferlegt.
Jetzt hat der Senat erstmals und in neuer Senatsbesetzung zu dieser Kritik ausführlich Stellung bezogen (BGH, Beschl. v. 30.1.2024 – VIII ZB 43/23, NZM 2024, 325). Der Senat folgt schon dem Ausgangspunkt der Kritik nicht, wonach es dem Klauselverwender obliege, die gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Zweifel anzunehmende Unwirksamkeit der Klausel zu entkräften. Er stützt seine Argumentation darauf, dass Schönheitsreparaturklauseln, trotz der in § 535 Abs. 1 S. 2 BGB enthaltenen Regelung über die Instandhaltungslast, im Grundsatz zulässig sind. Die Beweislastverteilung stehe auch nicht im Widerspruch zur Rspr. des EuGH, nach welcher ein nationales Gericht im Anwendungsbereich der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5.4.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen von Amts wegen verpflichtet ist, die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel zu berücksichtigen, sobald es über die hierzu erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen verfügt. Ebenso wenig überzeugt den Senat das Argument, wonach der Vermieter, der während oder nach Beendigung des Mietverhältnisses gegen den Mieter Ansprüche auf Durchführung der auf diesen übertragenen Schönheitsreparaturen oder Schadensersatz wegen deren Nichtdurchführung geltend macht, beweispflichtig für deren Fälligkeit sei und deshalb auch beweisen müsse, dass der Renovierungsbedarf auf der Nutzung durch den Mieter beruhe. Dies treffe nämlich gerade nicht zu. Die Fälligkeit der Verpflichtung zur Durchführung von Schönheitsreparaturarbeiten richte sich allein nach dem Renovierungszustand der Wohnung. Es läge auch keine unzulässige Umkehrung der Beweislast vor. Diese neue Argumentation vermochte die Kritiker nicht zu überzeugen (Graf v. Westphalen, NZM 2024, 433; BeckOGK-BGB/H. Schmidt, § 535 Rn 405.3; Zehelein, NJW 2024, 1620). Letztendlich kann wohl nur eine EuGH-Entscheidung diesen Dauerstreit beenden. Vorlageberechtigt sind auch die Instanzgerichte.
2. Auswirkung unwirksamer Quotenabgeltung
Die Unwirksamkeit einer formularvertraglichen Quotenabgeltungsklausel führt nicht zur Unwirksamkeit einer formularvertraglichen Schönheitsreparaturklausel (BGH, Beschl. v. 30.1.2024 – VIII ZB 43/23, GE 2024, 345 = WuM 2024, 192 = MDR 2024, 565 = NJW 2024, 1653 = NZM 2024, 325 = MietPrax-AK/Eisenschmid, § 538 BGB Nr. 74; Lehmann-Richter, MietRB 2024, 93).
3. Individualvertraglich vereinbarte Quotenabgeltung
Der VIII. Senat hatte 2015 auch entschieden, dass eine formularmäßige Quotenabgeltungsklausel in einem Wohnraummietvertrag den Mieter nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unangemessen benachteiligt und daher unwirksam ist, weil sie von dem Mieter bei Vertragsschluss verlangt, zur Ermittlung der auf ihn bei Vertragsbeendigung zukommenden Kostenbelastung mehrere hypothetische Betrachtungen anzustellen, die eine sichere Einschätzung der tatsächlichen Kostenbelastung nicht zulassen (BGH, Urt. v. 18.3.2015 – VIII ZR 242/13, WuM 2015, 343 = NZM 2015, 424 = NJW 2015, 1871 = DWW 2015, 213 = ZMR 2015, 690). Diese formularvertragliche Argumentation kann jedoch auf individualvertraglich vereinbarte Quotenabgeltungsklauseln nicht übertragen werden. Die Unwirksamkeit einer solchen Individualvereinbarung kann nach Ansicht des Senats auch nicht aus § 556 Abs. 4 BGB hergeleitet werden. Die Vorschrift schließt andere Belastungen, die nichts mit Betriebskosten zu tun haben, nicht aus (BGH, Urt. v. 6.3.2024 – VIII ZR 79/22, GE 2024, 395 = WuM 2024, 195 = MDR 2024, 563 = NZM 2024, 376 = MietPrax-AK/Eisenschmid, § 538 BGB Nr. 75; Bettenhausen, MietRB 2024, 129; Happ, DWW 2024, 44; Drasdo, NJW-Spezial 2024, 321; Graf v. Westphalen, NZM 2024, 433).
Hinweis:
Individualvereinbarungen im Massengeschäft der Wohnraumvermietung sind die absolute Ausnahme. Hierzu muss die Vertragsbedingung zwischen den Parteien „im Einzelnen ausgehandelt” worden sein. Das setzt wiederum voraus, dass der Vermieter die Vertragsklausel ernsthaft und für den Mieter erkennbar inhaltlich in ihrem Kern zur Disposition gestellt hat (umfassend Kappus, NZM 2016, 609). Eine Individualvereinbarung liegt auch dann nicht vor, wenn dem Mieter alternative vorformulierte Vertragsbedingungen vorgelegt werden (BGH, Urt. v. 13.3.2018 – XI ZR 291/16, NJW-RR 2018, 814 Rn 16).