1. Statusverfahren
Die rechtzeitige Klärung der im Einzelfall nicht einfach zu beantwortenden Frage, ob als selbstständig angesehene Tätige tatsächlich abhängig beschäftigt und damit sozialversicherungspflichtig sind, ist für Arbeitgeber von großer Bedeutung. Anhand der tatsächlichen Handhabung der geschlossenen Vereinbarungen sind im Einzelfall die für eine abhängige Beschäftigung und die für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Merkmale zu ermitteln und zu gewichten. Dann ist zu bewerten, welche Merkmale überwiegen. Die von der Besprechung gefundenen Ergebnisse sind oft schwierig vorauszusagen und erscheinen auch nicht immer konsistent (s. Greiner SGb 2016, 301 ff.). Besteht Sozialversicherungspflicht, so haben Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§ 28d SGB IV) zu entrichten was durch Beitragsabzug von dem Teil dieses Beitrags, den Beschäftigte zu tragen haben, grundsätzlich gem. § 28a SGB IV rückwirkend nur für drei Monate geschehen kann und gar nicht mehr, wenn das Arbeitsverhältnis zwischenzeitlich beendet ist. Hilfreich kann im Einzelfall die Einleitung des Anfrageverfahrens nach § 7a SGB IV sein. Im Berichtszeitraum hat das BSG eine Reihe von bemerkenswerten Entscheidungen getroffen und hierbei teilweise frühere Rechtsprechung geändert.
a) Aufgabe der "Kopf- und Seele-Rechtsprechung"
Während Vorstände von Aktiengesellschaften von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung ausgeschlossen sind (§ 1 S. 3 SGB VI, § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III) – da sie regelmäßig Bezüge haben, die über der Bemessungsgrenze liegen, sind sie auch nicht gesetzlich krankenversichert – ist die Rechtslage bei Beschäftigten einer GmbH anders. Deren Geschäftsführer werden zwar nicht als Arbeitnehmer i.S.d. Arbeitsrechts angesehen (§ 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG), sie können aber als Beschäftigte i.S.d. § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV der Sozialversicherungspflicht unterliegen. Dies gilt dann, wenn Geschäftsführer einer GmbH keine Gesellschaftsanteile halten (Fremdgeschäftsführer), es sei denn, besondere Umstände des Einzelfalls ließen ausnahmsweise den Schluss zu, dass keine persönliche Abhängigkeit vom Arbeitgeber vorliegt, etwa bei Einräumung einer sog. Sperrminorität.
Das BSG hat in der Vergangenheit (s. Urt. v. 9.12.1987 – 7 RAr 25/86, Rn 31) entschieden, ein Fremdgeschäftsführer einer Familiengesellschaft und ausnahmsweise auch für einen Angestellten unterhalb der Geschäftsführerebene, der mit den Gesellschaftern familiär verbunden ist, solle ausnahmsweise nicht als anhängig Beschäftigter sozialversicherungsrechtlich anzusehen sein, wenn er als "Kopf und Seele" der Gesellschaft diese wie ein Alleininhaber nach eigenem Gutdünken führen konnte und geführt hat, ohne dass ihn der bzw. die Gesellschafter daran hinderten. Bereits durch Urteil vom 29.8.2012 (B 12 KR 25/10 R) hatte das BSG Zweifel angemeldet, ob an dieser Rechtsprechung festzuhalten sei. Nunmehr hat das Gericht durch Urteil vom 29.7.2015 (B 12 KR 23/13 R m. Anm. Stotz JM 2016, 199) mit dieser Rechtsprechung gebrochen. In dem zu entscheidenden Fall hatte der Kläger (von Beruf Diplomkaufmann) für seine Ehefrau, die alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin eines in Rechtsform einer GmbH betriebenen Unternehmens war, seine Tätigkeit als Vertriebsleiter begonnen. In dem zwischen den Eheleuten geschlossenen Vertrag hatten die für einen Arbeitsvertrag typischen Elemente überwogen (festes Entgelt, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, bezahlter Jahresurlaub). Der Kläger trug jedoch vor, er habe in der Führung der Geschäfte vollkommen freie Hand gehabt, sei faktisch wie deren Geschäftsführer aufgetreten. Das BSG entschied, dass die vom Kläger tatsächlich wahrgenommenen weitreichende Befugnisse ebenso wenig zur Annahme von Selbstständigkeit führen, wie die Feststellungen des Berufungsgerichts, dass er in seiner Tätigkeit im Alltag keinen tatsächlichen Weisungen oder einer Überwachung durch die Ehefrau unterlegen habe. Aus der nur faktischen Nichtwahrnehmung von Weisungs-, Aufsichts- und Überwachungsrechten seitens der Ehefrau, könne auf keinen rechtswirksamen Verzicht auf diese geschlossen werden. Die Abhängigkeit der Statuszuordnung von rein faktischen, nicht rechtlich gebundenen und daher jederzeit änderbaren Verhalten der Beteiligten sei mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht in Einklang zu bringen. Das Gericht stellt wesentlich auf die den Beteiligten zukommende Rechtsmacht ab und lehnt es ab, eine "Schönwetterselbstständigkeit" anzuerkennen, wie bereits das Urteil vom 29.8.2012 (B 12 KR 25/10 R) angedeutet hat.
b) Bedeutung eines Stimmbindungsvertrags bei der Abgrenzung Selbstständigkeit/Beschäftigung
Eine weitere Entscheidung des BSG zum Statusverfahren betraf die Beurteilung der Versicherungspflicht einer Minderheitsgesellschafterin einer GmbH, die leitende Angestellte und Prokuristin dieser Firma war. Mehrheitsgesellschafter und Alleingeschäftsführer war der Ehemann. Nach dem Gesellschaftsvertrag wurden Beschlüsse mit einfacher Stimmenmehrheit gefasst. Kurze Zeit nach dem Abschluss des Gesellschaftsvertrags schlo...