Auch diese Immission ist von hoher praktischer Bedeutung, da Bahnverkehr im Bereich von Wohnbebauung immer wieder zu Streitigkeiten führt. Grundlage der rechtlichen Prüfung ist der Lärmwert, der die bei einem Streckenneubau einzuhaltenden Vorsorgewerte der Verkehrslärmschutzverordnung (s. oben II.) von 59 dB (A) am Tag und 49 dB (A) in der Nacht nicht überschreiten darf.
Das LG Bochum hat Anwohnern das Recht gegeben, die Kosten von Schallschutzfenstern von der Deutschen Bahn zu verlangen. Es wurde ausgeführt, dass die Kosten für den Bau und Unterhalt sämtlicher gegenwärtiger oder zukünftiger passiver Schallschutzmaßnahmen zu erstatten sind, die geeignet und notwendig sind, um wesentliche Beeinträchtigungen durch Verkehrsgeräusche des Betriebs der Bahnstrecke abzuwenden (LG Bochum, Urt. v. 30.7.2014 – 6 O 443/09). Insoweit wurde erstmals ein gerichtlich einklagbarer Rechtsanspruch auf Lärmschutzfenster zuerkannt und dies schon beim Überschreiten der um 11 dB (A) niedrigeren Werte der Lärmvorsorge. Wenn Lärmschutz erbracht wird, hat dies durch eine qualifizierte Fachkraft zu erfolgen (OVG Berlin Brandenburg, Urt. v. 3.5.2016 – OVG 6 A 31.14).
Hinweis:
Die bisherige Praxis der Deutschen Bahn – wenn auch nur freiwillig – ab 70 dB (A) tags und 60 dB (A) nachts tätig zu werden, ist damit überholt.
Aufgrund dieser Entscheidungen ist damit auch wieder die "alte" Frage neu diskutiert worden, ob ein generelles Tempolimit für Bahnen (z.B. wie im Straßenverkehr 30 km/h) nicht letztlich dazu führt, dass sowohl tagsüber als auch nachts die entsprechenden Grenzwerte eingehalten werden. Auch die zusätzliche Unterschotterung oder Dämpfung von Bahnstrecken ist wieder aktueller denn je.
Der Lärmschutz ist ein zentrales Thema der Deutschen Bahn. So wurde Ende März 2017 verkündet, dass auf rund 2.000 km bereits Schallschutzwände errichtet und 57.000 Wohnungen mit Schallschutzfenstern ausgestattet worden seien. Zudem wolle man den Schienenlärm bis 2020 halbieren. Dies soll insbesondere mit leisen Bremsen für Güterwagen erzielt werden (vgl. www1.deutschebahn.com/laerm/start ). Das hat der Gesetzgeber so allerdings als nicht ausreichend erachtet und deshalb zwischenzeitlich ein Gesetz beschlossen, mit dem Anwohner an Bahnstrecken besser vor Schienenlärm geschützt werden sollen. Danach dürfen Züge mit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2020 nicht mehr fahren, sofern sie zu laut sind. Diese Regelungen sind auch bußgeldbewehrt (bis 50.000 EUR).
Hinweis:
Beim Ausbau und der Elektrifizierung von Eisenbahnstrecken kann der Betroffene für die Tage und Nächte, in denen der nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm berechnete Immissionsrichtwert von 70 dB (A) bzw. 60 dB (A) überschritten wird, einen Hotelaufenthalt in Anspruch nehmen (BVerwG, Urt. v. 8.9.2016 – 3 A 5.15).
Hat die Kommune einen Lärmaktionsplan geschaffen, so besitzt dieser rechtliche Bindungswirkung (§ 47 Abs. 6 BImSchG). Umgekehrt kann sich eine Gemeinde allerdings auf einen Lärmaktionsplan insoweit nicht berufen, als ihr hieraus keine subjektiven Rechte zustehen. Dies jedenfalls dann, wenn es um Maßnahmen geht, die von Dritten ausgeführt werden müssten (z.B. Deutsche Bahn: VG Freiburg, Urt. v. 25.7.2014 – 5 K 1491/13).
Auch dann, wenn in der Nacht Gleisinstandsetzungsarbeiten durchgeführt werden, ist zunächst zu prüfen, ob es sich hier um Gleisbauarbeiten innerhalb eines Planfeststellungsbeschlusses handelt, eine eisenbahnrechtliche Plangenehmigung vorliegt oder diese Maßnahmen ggf. ohne entsprechende vorherige Prüfung durchgeführt werden. Erfolgen die Gleisbauarbeiten in Umsetzung einer Genehmigung oder Planfeststellung, so ist in diesem Zuge immer der Schutz der Nachbarschaft entsprechend zu berücksichtigen. Es geht dabei um aktive und passive Schutzmaßnahmen (§ 74 Abs. 2 S. 2 VwVfG). Dazu gehört auch die Festlegung von Entschädigungen, sofern unzumutbare Beeinträchtigungen zu erwarten sind (BVerfGE 123, 23, 36).
Hinweis:
Liegt keine Genehmigung für die Arbeiten vor, so richten sich mögliche Ansprüche nach dem Zivilrecht und hier insbesondere nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB. Auch dabei geht es darum, ob über das zumutbare Maß hinaus Beeinträchtigungen stattfinden (BGHZ 62, 361). Des Weiteren ist auch die Möglichkeit einer vorläufigen Untersagung des Baustellenbetriebs nach § 25 Abs. 1 BImSchG zu berücksichtigen (VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 5.2.2015 – 10 S 2471/14).