Ein Verkehrsunfall löst nicht nur Ansprüche gegen den Schädiger aus, der Geschädigte kann auch seine eigene Vollkaskoversicherung und bei Glasbruchschäden seine Teilkaskoversicherung in Anspruch nehmen.
1. Anzeigepflicht
Auch für die Kaskoversicherung gilt die Obliegenheit aus E.1.1.1 AKB 2015, dass jeder Versicherungsfall innerhalb einer Frist von einer Woche anzuzeigen ist. Oft entschließt sich der Geschädigte erst während der Regulierungsverhandlungen mit dem gegnerischen Haftpflichtversicherer, seine eigene Vollkaskoversicherung in Anspruch zu nehmen, weil eine kurzfristige Regulierung nicht zu erwarten ist oder sich abzeichnet, dass nur eine Quote durchsetzbar ist.
Auch wenn die Wochenfrist gem. E.1.1.1 AKB 2015 versäumt ist, besteht der Leistungsanspruch; denn die Kaskoversicherer gehen nicht von einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Obliegenheitsverletzung aus, da allenfalls ein geringes Verschulden des Versicherungsnehmers vorliegt.
In den meisten Fällen ist der Kausalitätsgegenbeweis (E.2.2 AKB 2015) möglich, dass durch die Verspätung die Feststellungen des Versicherers zum Unfallhergang und zur Schadenshöhe nicht beeinträchtigt worden sind.
Aber: Die Anzeige eines Kaskoschadens sechs Monate nach dem Schadensereignis und Durchführung der Reparatur ist eine vorsätzliche Verletzung der Anzeigeobliegenheit, die zur vollständigen Leistungsfreiheit des Versicherers führt (OLG Hamm, 20 U 42/17, zfs 2017, 691).
2. Neuwertersatz
Nach § 13 Abs. 2 AKB a.F. konnte der Erstbesitzer eines Pkw bei einem Totalschaden/Totalverlust innerhalb der ersten beiden Zulassungsjahre Neuwertersatz verlangen. Diese Leistungsverbesserungen werden jedoch in Versicherungsverträgen ab Mitte 1993 nicht mehr angeboten, zumal der Anspruch auf Neuwertersatz oft Anreiz zur Vortäuschung eines Fahrzeugdiebstahls geboten hat. Zwischenzeitlich bieten einige Versicherer noch Neuwertersatz für Totalschaden/Totalverlust innerhalb des im Versicherungsvertrag vereinbarten Zeitraums an (s. A.2.5.1.2 AKB 2015). Im Einzelfall muss daher geprüft werden, welche AKB mit welchem Inhalt dem Vertrag zugrunde gelegt worden sind.
3. Quotenvorrecht/Differenztheorie
Wenn von einem Mitverschulden des Mandanten auszugehen ist, empfiehlt es sich, die Vollkaskoversicherung in Anspruch zu nehmen und Schadensersatzansprüche bei der gegnerischen Haftpflichtversicherung geltend zu machen. In der Regel kann dadurch trotz einer Mithaftungsquote eine nahezu vollständige Schadensregulierung durchgeführt werden.
Nimmt der Geschädigte seine Vollkaskoversicherung in Anspruch, gehen zwar insoweit seine Schadensersatzansprüche gegen den Schädiger gem. § 86 VVG auf seine Vollkaskoversicherung über. Dieser Forderungsübergang darf sich jedoch gem. § 86 Abs. 1 S. 2 VVG nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers auswirken. Der Geschädigte kann daher seinen Fahrzeugschaden auch weiterhin gegenüber dem Schädiger geltend machen. Obergrenze ist jedoch der tatsächliche – kongruente – Fahrzeugschaden.
a) Kongruenter Fahrzeugschaden
Zum kongruenten Fahrzeugschaden gehören die Reparaturkosten, der Wiederbeschaffungswert, die Abschleppkosten, die Sachverständigenkosten und der merkantile Minderwert (BGH VersR 1982, 383 = NJW 1982, 829; VersR 1985, 441).
Der Geschädigte kann daher bis zur Grenze der Mithaftungsquote des Unfallgegners die Selbstbeteiligung, die Abschleppkosten, die Sachverständigenkosten und den merkantilen Minderwert geltend machen.
Hinweis:
Da der Kaskoversicherer den merkantilen Minderwert und die Sachverständigenkosten nicht zu ersetzen hat, tritt insoweit auch kein Forderungsübergang ein, so dass diese Schadenspositionen beim Geschädigten verbleiben. Er kann diese daher noch neben der Selbstbeteiligung ungekürzt bis zur Grenze der Mithaftungsquote gegen den Schädiger geltend machen.
b) Forderungsübergang
Vom Rechtsübergang nicht betroffen ist der Sachfolgeschaden (Mietwagenkosten, Nutzungsentschädigung, Kostenpauschale, Fahrtauslagen, Verdienstausfall, Prämiennachteile). Diese Positionen sind vom gegnerischen Haftpflichtversicherer unabhängig von der Leistung des Kaskoversicherers mit der entsprechenden Haftungsquote zu regulieren; hierzu gehören auch Verschrottungskosten (OLG Hamm SP 2000, 162).
Beispiel:
Reparaturkosten |
|
6.000 EUR |
merkantiler Minderwert |
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500 EUR |
Nutzungsentschädigung |
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400 EUR |
Sachverständigenkosten |
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300 EUR |
Abschleppkosten |
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200 EUR |
Rückstufungsschaden |
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250 EUR |
Kostenpauschale |
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30 EUR |
insgesamt: |
|
7.680 EUR |
Hierauf leistet die Vollkaskoversicherung 5.000 EUR (Fahrzeugschaden 6.000 EUR abzgl. Selbstbeteiligung i.H.v. 1.000 EUR).
c) Mithaftungsquote
Bei einer Mithaftungsquote von 50 % wäre es falsch, lediglich 50 % der vorgenannten Positionen gegenüber dem Haftpflichtversicherer geltend zu machen, richtig ist vielmehr die Abrechnung nach Quotenvorrecht/Differenztheorie. Der kongruente Fahrzeugschaden errechnet sich wie folgt:
Reparaturkosten |
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6.000 EUR |
merkantiler Minderwert |
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500 EUR |
Sachverständigenkosten |
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300 EUR |
Abschleppkosten |
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200 EUR |
insgesamt: |
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7.000 EUR |
Hiervon zahlt der Fahrzeugversicherer 5.000 EUR, so dass ein nicht gedeckter Schaden i.H.v. 2.000 EUR verbleibt.
In dieser Höh...