Nach § 216 Abs. 1 S. 1 StPO wird der auf freiem Fuß befindliche Angeklagte unter der Warnung geladen, dass im Fall seines unentschuldigten Ausbleibens seine Verhaftung oder Vorführung erfolgen werde. Die Warnung ist auch in eine wiederholte Ladung aufzunehmen, der bloße Hinweis auf eine frühere Ladung genügt insoweit nicht (OLG Hamm NStZ-RR 2009, 89). Einem der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtigen Angeklagten ist die Warnung zudem in eine ihm verständliche Sprache zu übersetzen (zuletzt OLG Dresden StV 2009, 348). Befindet sich der Angeklagte zum Zeitpunkt der Ladung in Haft, muss die ggf. unterbliebene Belehrung nach der Entlassung nachgeholt werden (OLG Köln StV 2014, 205), anderenfalls ist er nicht ordnungsgemäß geladen.
Hinweis:
Ladungen eines ausländischen Angeklagten, denen eine Übersetzung nicht beigefügt ist, sind "unwirksam" (s. OLG Bremen NStZ 2005, 527; OLG Dresden a.a.O.; LG Bremen StraFo 2005, 29; a.A. OLG Hamm NJW 1984, 78; Beschl. v. 25.10.2016 – 3 RVs 72/16; OLG Köln NStZ-RR 2015, 317; Meyer-Goßner/Schmitt, § 184 GVG Rn 3), mit der Folge, dass z.B. ein Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO nicht erlassen werden kann (LG Bremen a.a.O.; s. unten V. 2. b). Nr. 181 Abs. 2 RiStBV ist allerdings nur eine Empfehlung (BVerfG NJW 1983, 2762); i.d.R. wird das Nichterscheinen des Beschuldigten aber als entschuldigt anzusehen sein.
In der Rechtsprechung ist umstritten, ob die "Haft-Warnung" auch zulässig ist, wenn die Ladung des Angeklagten im Ausland bewirkt werden muss, weil der Angeklagte sich dort aufhält. Diese Frage wird in der OLG-Rechtsprechung (s. KG StV 2014, 204 betreffend Mongolei; OLG Brandenburg StV 2009, 348 [Ls.]; OLG Frankfurt NStZ-RR 1999, 18; OLG Köln NStZ-RR 2006, 22; OLG Oldenburg StV 2005, 432) unter Hinweis auf die Ausübung hoheitlicher Gewalt auf dem Gebiet eines fremden Staates verneint (s. auch KK-Gmel, § 216 Rn 5 m.w.N.; Meyer-Goßner/Schmitt, § 216 Rn 4; a.A. OLG Rostock NStZ 2010, 412).
Hinweis:
Teilweise wird die Frage – z.T. nur für den Schengen/EU-Raum – u.a. unter Hinweis auf den Grundgedanken des Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) – bejaht. Danach dürfen Zwangsmittel angedroht werden, wenn einschränkend darauf hingewiesen wird, dass diese nur im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland vollstreckt werden (vgl. auch Graf/Ritscher, StPO, 3. Aufl. 2018, § 216 Rn 6).
Das OLG Rostock (a.a.O.) sieht die Warnung i.S.d. § 216 Abs. 1 S. 1 StPO zudem auch nicht als Androhung von Zwangsmaßnahmen an (zu allem D. Herrmann StRR 2007, 277 [Anm. zu OLG Brandenburg, a.a.O.]; Stephan StRR 2008, 310 [Anm. zu OLG Rostock, a.a.O.]). Die Ladung muss den Hinweis, dass die Zwangsmittel nur im Inland vollstreckt werden können (vgl. KG, OLG Rostock, OLG Saarbrücken, jeweils a.a.O.) auch dann enthalten, wenn über den Verteidiger geladen wird (LG Saarbrücken StraFo 2010, 340).
Bedeutsam ist diese Frage für die Zulässigkeit des Erlasses eines Haftbefehls. Schließt man sich der wohl h.M. an, kann ein Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO gegen den ausgebliebenen Angeklagten nicht erlassen werden, da eine ordnungsgemäße Ladung des Angeklagten nicht vorliegt (s. z.B. OLG Brandenburg, a.a.O.; LG Münster NStZ-RR 2005, 382; a.A. KG, OLG Rostock, jeweils a.a.O.). Zulässig ist aber ggf. ein Haftbefehl nach § 112 StPO, wenn dessen Voraussetzungen, insbesondere also Fluchtgefahr, vorliegen (vgl. dazu OLG Brandenburg, a.a.O.; zur Fluchtgefahr Burhoff, EV, Rn 4157 ff.).
Hinweis:
Sieht man auch die Ladung mit "Haft-Warnung" als zulässig an, muss der Hinweis einem der deutschen Sprache nicht mächtigen Angeklagten in einer ihm verständlichen Sprache erteilt werden (OLG Saarbrücken, a.a.O.; LG Heilbronn StV 2011, 406 [Ls.]).
Der nicht auf freiem Fuß befindliche Angeklagte muss nach § 216 Abs. 2 S. 2 StPO bei der Ladung zudem befragt werden, ob und welche Anträge er zu seiner Verteidigung für die Hauptverhandlung stellen will. Nach der Rechtsprechung des BGH berührt aber ein Verstoß gegen diese Pflicht die Wirksamkeit der Ladung zur Hauptverhandlung nicht (BGH NJW 2008, 1604; s. jetzt auch wohl Meyer-Goßner/Schmitt, § 216 Rn 8; a.A. LG Potsdam StV 2006, 574).