1. Allgemeines
Voraussetzung für etwaige Zwangsmaßnahmen usw. gegen den Angeklagten ist, dass dieser zur Hauptverhandlung ordnungsgemäß geladen worden ist. Die Ladung stellt die gerichtliche Aufforderung an den Angeklagten dar, zur Hauptverhandlung vor Gericht zu erscheinen. Sie wird vom Vorsitzenden durch Verfügung angeordnet (§ 214 Abs. 1 StPO) und von der Geschäftsstelle entsprechend der Anordnung ausgeführt (§ 214 Abs. 2 StPO), nachdem der Vorsitzende den Termin zur Hauptverhandlung in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens anberaumt hat (§ 213 StPO; zur Ladung Burhoff, HV, Rn 2027; zur Terminierung Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 8. Aufl. 2019, Rn 4068 ff. [im Folgenden kurz: Burhoff, EV]).
Hinweis:
Eine ordnungsgemäße Ladung setzt zweierlei voraus: Sie muss dem gesetzlich vorgeschriebenen Mindestinhalt entsprechen und ordnungsgemäß bekanntgemacht werden. Nur wenn die Ladung diese Anforderungen erfüllt, ist sie wirksam und löst die Verpflichtung zum Erscheinen aus.
2. Form
Die Ladung muss schriftlich erfolgen. Es reicht nicht aus, wenn das Gericht z.B. einen Wachtmeister oder die Polizei beim Angeklagten vorbeischickt, der ihn mündlich "lädt". Dem Angeklagten ist stets ein Schriftstück auszuhändigen und zu belassen; andernfalls ist die Ladung unwirksam, es sei denn, der Angeklagte hätte wirksam auf eine formgerechte Ladung verzichtet, was zulässig ist.
3. Inhalt
a) Allgemeines
In der Ladung ist mindestens bekanntzugeben:
- die Art der Verfahrensbeteiligung als Angeklagter,
- der Verfahrensgegenstand,
- der Zeitpunkt der Verhandlung,
- das Gericht, vor dem die Verhandlung stattfindet
- und der Ort der Verhandlung (Anschrift, Sitzungssaal; wegen Warnung vgl. unten b).
Fehlt in der Ladung die Angabe der Terminsstunde (BayObLG, Beschl. v. 10.10.1985 – 1 Ob OWi 345/85) oder ist sie unzutreffend (KG, Beschl. v. 7.3.1997 – 2 Ss 49/97; 5 Ws [B] 148/97) bzw. widersprüchlich (OLG Frankfurt NStZ-RR 1996, 75) angegeben, ist die Ladung unwirksam. Dies gilt auch bei einem fehlerhaften Hinweis auf den Sitzungssaal, in dem die Hauptverhandlung stattfindet, da der Angeklagte nicht verpflichtet ist, sich zum richtigen Sitzungssaal "durchzufragen" (BayObLGSt 1969, 104).
b) Warnungen und Hinweise
Nach § 216 Abs. 1 S. 1 StPO wird der auf freiem Fuß befindliche Angeklagte unter der Warnung geladen, dass im Fall seines unentschuldigten Ausbleibens seine Verhaftung oder Vorführung erfolgen werde. Die Warnung ist auch in eine wiederholte Ladung aufzunehmen, der bloße Hinweis auf eine frühere Ladung genügt insoweit nicht (OLG Hamm NStZ-RR 2009, 89). Einem der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtigen Angeklagten ist die Warnung zudem in eine ihm verständliche Sprache zu übersetzen (zuletzt OLG Dresden StV 2009, 348). Befindet sich der Angeklagte zum Zeitpunkt der Ladung in Haft, muss die ggf. unterbliebene Belehrung nach der Entlassung nachgeholt werden (OLG Köln StV 2014, 205), anderenfalls ist er nicht ordnungsgemäß geladen.
Hinweis:
Ladungen eines ausländischen Angeklagten, denen eine Übersetzung nicht beigefügt ist, sind "unwirksam" (s. OLG Bremen NStZ 2005, 527; OLG Dresden a.a.O.; LG Bremen StraFo 2005, 29; a.A. OLG Hamm NJW 1984, 78; Beschl. v. 25.10.2016 – 3 RVs 72/16; OLG Köln NStZ-RR 2015, 317; Meyer-Goßner/Schmitt, § 184 GVG Rn 3), mit der Folge, dass z.B. ein Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO nicht erlassen werden kann (LG Bremen a.a.O.; s. unten V. 2. b). Nr. 181 Abs. 2 RiStBV ist allerdings nur eine Empfehlung (BVerfG NJW 1983, 2762); i.d.R. wird das Nichterscheinen des Beschuldigten aber als entschuldigt anzusehen sein.
In der Rechtsprechung ist umstritten, ob die "Haft-Warnung" auch zulässig ist, wenn die Ladung des Angeklagten im Ausland bewirkt werden muss, weil der Angeklagte sich dort aufhält. Diese Frage wird in der OLG-Rechtsprechung (s. KG StV 2014, 204 betreffend Mongolei; OLG Brandenburg StV 2009, 348 [Ls.]; OLG Frankfurt NStZ-RR 1999, 18; OLG Köln NStZ-RR 2006, 22; OLG Oldenburg StV 2005, 432) unter Hinweis auf die Ausübung hoheitlicher Gewalt auf dem Gebiet eines fremden Staates verneint (s. auch KK-Gmel, § 216 Rn 5 m.w.N.; Meyer-Goßner/Schmitt, § 216 Rn 4; a.A. OLG Rostock NStZ 2010, 412).
Hinweis:
Teilweise wird die Frage – z.T. nur für den Schengen/EU-Raum – u.a. unter Hinweis auf den Grundgedanken des Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) – bejaht. Danach dürfen Zwangsmittel angedroht werden, wenn einschränkend darauf hingewiesen wird, dass diese nur im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland vollstreckt werden (vgl. auch Graf/Ritscher, StPO, 3. Aufl. 2018, § 216 Rn 6).
Das OLG Rostock (a.a.O.) sieht die Warnung i.S.d. § 216 Abs. 1 S. 1 StPO zudem auch nicht als Androhung von Zwangsmaßnahmen an (zu allem D. Herrmann StRR 2007, 277 [Anm. zu OLG Brandenburg, a.a.O.]; Stephan StRR 2008, 310 [Anm. zu OLG Rostock, a.a.O.]). Die Ladung muss den Hinweis, dass die Zwangsmittel nur im Inland vollstreckt werden können (vgl. KG, OLG Rostock, OLG Saarbrücken, jeweils a.a.O.) auch dann enthalten, wenn über den Verteidiger geladen wird (LG Saarbrücken StraFo 201...