Für die Annahme eines schweren Parteiverrats i.S.d. § 356 Abs. 2 StGB kommt es darauf an, ob der Rechtsanwalt bei Begehung des Parteiverrats im Einverständnis mit der Gegenpartei zum Nachteil seiner Partei gehandelt hat. So hat der BGH im Beschl. v. 21.11.2018 (4 StR 15/18, NJW 2019, 316 = NStZ-RR 2019, 47 = StraFo 2019,1 28 = StRR 5/2019, 21) entschieden.
Der Angeklagte war Rechtsanwalt und Notar. Er war vom LG wegen (schweren) Parteiverrats nach § 356 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Ausgangspunkt des Strafverfahrens war ein Verwaltungsverfahren, das 2012 beim BVerwG anhängig war. Der Rechtsanwalt hatte mehrere Kläger aus Oldenburg vertreten, darunter auch die Stadt, eine Wohnungsbaugesellschaft, eine Stiftung und Privatleute. Beklagte war die Deutsche Bahn, die die Bahnstrecke zum Tiefwasserhafen "Jade Weser Port" im nahen Wilhelmshaven ausbauen will, streckenweise wohl mitten durch das Oldenburger Stadtgebiet. In dem Verfahren vor dem BVerwG hatte die Deutsche Bahn einen Vergleich angeboten, der Lärmschutzmaßnahmen für die betroffenen Wohngebiete in Oldenburg vorsah. Der Rechtsanwalt hat seinen Mandanten geraten, das Angebot anzunehmen. Einige der Kläger, u.a. die Stadt Oldenburg, willigten ein, nicht so auch vertretene private Kläger, die die ausdrückliche Weisung erteilt hatten, keinen Vergleich abzuschließen. Und darum ging es dann im Strafverfahren, da der Rechtsanwalt dennoch einen Vergleich abgeschlossen hat.
Die Revision des Angeklagten hatte wegen des Strafausspruchs Erfolg. Der BGH sieht in dem Verhalten des Rechtsanwalts nur einen "einfachen Parteiverrat" und hat deshalb den Strafausspruch des landgerichtlichen Urteils aufgehoben. Mit dem LG ist der BGH von Parteiverrat (§ 356 Abs. 1 StGB) ausgegangen. Er hat aber die Voraussetzungen für die Annahme eines schweren Parteiverrats i.S.d. § 356 Abs. 2 StGB verneint. Denn dafür komme es darauf an, ob der Rechtsanwalt bei Begehung des Parteiverrats im Einverständnis mit der Gegenpartei zum Nachteil seiner Partei gehandelt habe. Schon nach dem Wortlaut des § 356 Abs. 2 StGB qualifiziere nicht jedes Handeln des Anwalts zum Nachteil seiner Partei den Verrat zum Verbrechen. Hinzutreten müsse vielmehr das Einverständnis der Gegenpartei in sein schädigendes Handeln. Hierfür sei ein gemeinsames Schädigungsbewusstsein von Anwalt und Gegenpartei erforderlich. Als Teilelement des gemeinsamen Bewusstseins um die Schädigung der Partei müsse das Einverständnis der Gegenpartei bereits zu dem Zeitpunkt vorliegen, zu dem der Anwalt pflichtwidrig diene. Erforderlich sei, dass die Tathandlung als solche vom Einverständnis der Gegenpartei getragen werde. Und das hat der BGH aufgrund der Umstände des Einzelfalls verneint.
Hinweis:
Die Entscheidung liegt auf der Linie der Rechtsprechung des BGH aus früheren Jahren (vgl. BGH NStZ 1981, 479, 480; BGHSt 45, 148, 156). Für den betroffenen Rechtsanwalt ist die Einordnung und damit die Höhe der Strafe im Hinblick auf berufsrechtliche und sonstige Folgen von erheblicher Bedeutung.