In seiner offiziellen Stellungnahme zu einem vom Bundesjustizministerium (BMJV) erarbeiteten Gesetzentwurf zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder übt der Deutsche Anwaltverein (DAV) scharfe Kritik an dem Vorhaben. Es sei bedauerlich, so die Anwaltsvertreter, dass das Ministerium den Ergebnissen und Folgerungen der zuvor eingesetzten Expertenkommission kaum Gehör geschenkt habe.
Die Kommission war 2017 einberufen worden, um nach den Vorfällen der letzten Jahre fachkundig das Ob und Wie eines Reformbedarfs im Sexualstrafrecht zu beraten. Nach zweijähriger Arbeit legten die Experten einen umfassenden Abschlussbericht vor, in dem auch detaillierte Vorschläge zu Änderungen im StGB gemacht wurden. Diese Ergebnisse hätten aber, so der DAV, im Referentenentwurf des BMJV kaum Niederschlag gefunden. Im Einzelnen kritisiert der Verein sowohl terminologische Schwächen, sieht "kritikwürdige Strafverschärfungen" und bemängelt, dass entgegen den Vorschlägen der Expertenkommission keine "minder schweren Fälle" vorgesehen sind. Ebenso möchten die Anwälte die schon länger diskutierte Frage, wie auf die Konstellation "geringer Altersunterschiede" reagiert werden soll, d.h. auf Taten unter (fast) Gleichaltrigen, gerne anders gelöst sehen als im jetzigen Referentenentwurf.
Terminologisch sei es z.B. wenig hilfreich, wenn das Gesetz statt des bisherigen Terminus "sexueller Missbrauch von Kindern" künftig den Ausdruck "sexualisierte Gewalt gegen Kinder" verwenden will. Damit werde nicht nur keine Klarheit geschaffen, sondern insb. auch verkannt, dass Täter an ihre potenziellen kindlichen Opfer kaum mittels gewalttätigen Verhaltens, sondern i.d.R. im Wege manipulativen Vorgehens herantreten.
Bezüglich der vorgesehenen Strafverschärfungen bezweifeln die Strafrechtsexperten des DAV, dass diese zu der Umsetzung des ausgewiesenen Zieles eines verbesserten Kinderschutzes geeignet sind: "Strafverschärfung schützt keine Kinder" meint der DAV und verweist darauf, dass es an einer empirischen Nachprüfbarkeit des stets bemühten Arguments einer abschreckenden Wirkung durch eine höhere Strafandrohung fehle. Diese sei zumeist ein Zeichen für eine "weitgehend symbolische und aktionistische Gesetzgebung".
Für die Konstellation geringer Altersunterschiede sieht der Entwurf eine prozessuale Lösung dergestalt vor, dass das Gericht hier "von Strafe absehen kann". Demgegenüber würde der DAV eine Lösung bevorzugen, die bereits einen tatbestandlichen Ausschluss vorsieht, d.h. die Klarstellung, dass einvernehmliche Handlungen bei geringem Altersunterschied gar nicht strafbar sind.
Trotz dieser harschen Kritik am Entwurf stellt der Verein aber auch klar, dass er das Ziel des verbesserten Kinderschutzes natürlich unterstützt. Er spricht sich – statt vorrangiger Strafverschärfungen – allerdings dafür aus, ein ganzheitliches Konzept zu verfolgen, das auch präventive Maßnahmen beinhaltet, die Kinder bereits davor bewahren, Opfer zu werden.
[Quelle: DAV]