Hat der Verteidiger die o.a. Fragen sorgfältig geprüft und sich grds. zur Übernahme des Mandats entschlossen, muss er mit dem potenziellen Mandanten zumindest folgende (weitere) Fragen erörtern:
1. Mandat unter Vorbehalt
Da der Rechtsanwalt in diesem i.d.R. frühen Verfahrensstadium – wenn überhaupt – vom gegen den Mandanten erhobenen Vorwurf nur das kennt, was der Mandant ihm darüber mitgeteilt hat oder was sich ggf. aus ihm vom Mandanten überlassenen Unterlagen ergibt, wird er, zumindest wenn er Zweifel an dieser Darstellung hat, das Mandat nur "unter Vorbehalt" annehmen, was zulässig sein dürfte. Die endgültige Mandatsübernahme wird der Verteidiger dann von den aus einer Akteneinsicht, die er nur als Verteidiger erhält, gewonnenen Erkenntnissen abhängig machen.
Hinweis:
Der Verteidiger muss den Mandanten darüber belehren, dass er sich, um AE zu erhalten, als Verteidiger bestellen muss und daher ggf. später das Mandat niederlegen wird, was für den Mandanten eine psychologisch schlechte Wirkung haben kann.
2. Beauftragung eines anderen Verteidigers?
Spätestens jetzt wird der Verteidiger mit dem Mandanten die Frage erörtern, ob dieser ggf. bereits einen anderen Verteidiger beauftragt hat. Ist das der Fall, muss er mit dem Mandanten klären, ob dieser ihn als zweiten oder dritten Verteidiger beauftragen will oder er ihn in Zukunft allein verteidigen soll. Zu beachten sind § 15 Abs. 1 und 2 BORA, die allerdings nach Abs. 3 der Vorschrift nicht im Fall eines bloßen Beratungsmandats gelten. Nach § 15 BORA ist auf Folgendes zu achten:
- Will der Rechtsanwalt neben dem bisherigen Verteidiger tätig werden, muss er gem. § 15 Abs. 2 BORA diesen vor der Übernahme des Mandats verständigen.
- Will/Soll er anstelle des bisherigen Verteidigers tätig werden, wird er das Mandat nur übernehmen, wenn er sich überzeugt hat, dass das frühere Auftragsverhältnis beendet ist. Die Benachrichtigung des "alten" Verteidigers sollte der neue Verteidiger selbst übernehmen (Henssler/Prütting/Prütting, a.a.O., § 15 BORA Rn 5 ff.). Zusammen mit der Benachrichtigung des "alten" Verteidigers darf der "neue" Verteidiger das bislang erteilte Mandat auch selbst durch Kündigung beenden, wenn der Mandant ihn dazu bevollmächtigt hat.
- Nach § 15 Abs. 1 BORA hat der "neue" Verteidiger sicherzustellen, dass der bisherige Verteidiger von der Mandatsübernahme unverzüglich verständigt wird. Es ist nicht ausreichend, wenn er das dem Mandanten überlässt (Henssler/Prütting/Prütting, § 15 BORA Rn 8).
Hinweis:
Erklärt der "alte" Verteidiger, dass er mit der Übernahme des Mandats durch den Kollegen nur einverstanden sei, wenn der Mandant die bisher entstanden Kosten zahle, braucht sich der "neue" Verteidiger darauf nicht einzulassen. Denn § 15 BORA verlangt das Einverständnis des bisherigen Verteidigers oder die Bezahlung seiner Gebühren nicht. Selbstverständlich wird der Verteidiger den Mandanten zur umgehenden Zahlung des Honorars an den bisherigen Verteidiger anhalten.
3. Honorarfrage/Rechtsschutzversicherung/Vorschuss
Der Rechtsanwalt muss vor der Übernahme des Mandats auch die Honorarfrage ansprechen. Es empfiehlt sich dringend, dem Mandanten mitzuteilen, welche Kosten durch die Vertretung im Ermittlungsverfahren – und ggf. später in der Hauptverhandlung – auf ihn zukommen (BGH AGS 2010, 216; OLG München AGS 2016, 558; LG Stuttgart RVGreport 2016, 479). Sind dem Verteidiger die Höchstgebühren nicht ausreichend, sollte/muss er jetzt mit dem Mandanten eine Vergütungsvereinbarung treffen.
In diesem Zusammenhang wird der Verteidiger den potenziellen Mandanten auch danach fragen, ob möglicherweise eine Rechtsschutzversicherung besteht, die ggf. die entstehenden Gebühren und Auslagen übernimmt. Er muss ihn darüber belehren, dass, wenn dem Mandanten eine Vorsatztat vorgeworfen wird, ggf. der Versicherungsschutz nach § 4 Abs. 2 ARB 75 ausgeschlossen ist und der Mandant Leistungen, die er vorab von der Versicherung erhalten hat, zurückzahlen muss.
Schließlich muss der Verteidiger auch entscheiden, ob er von dem ihm in § 9 RVG eingeräumten Recht Gebrauch machen will, auf die entstehenden Gebühren und Auslagen einen angemessenen Vorschuss zu fordern (vgl. zum Vorschuss Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Teil A: Vorschuss vom Auftraggeber [§ 9], Rn 2483 ff.; Burhoff RVGreport 2011, 365; ders. RVGreport 2014, 138).