Der EuGH hatte darüber zu entscheiden (Urt. v. 2.4.2020 – C-567/18, ZAP EN-Nr. 334/2020), ob die Lagerung von markenrechtlich geschützter Ware eine Markenrechtsverletzung darstellt.
Nach Art. 9 Abs. 1 Unionsmarkenverordnung (UMV) erwirbt der Inhaber einer Unionsmarke mit deren Eintragung ein ausschließliches Recht an ihr. Nach Art. 9 Abs. 2 lit. a) UMV kann der Inhaber der Unionsmarke Dritten verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, wenn das Zeichen mit der Unionsmarke identisch ist und für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch sind, für die die Unionsmarke eingetragen ist. Sofern diese – exemplarisch genannte – Voraussetzung erfüllt ist, kann dem Dritten nach Art. 9 Abs. 3 lit. b) UMV verboten werden, unter dem betroffenen Zeichen Waren anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen.
Ein Unternehmen (nachfolgend: Klägerin), das Parfum-Produkte vertreibt und diesbezüglich u.a. Lizenznehmer einer Marke ist, hatte Unternehmen des Amazon-Konzerns auf Unterlassung in Anspruch genommen. Hintergrund war der Umstand, dass ein Händler auf dem Amazon-Marketplace ein Parfum unter einer markenrechtlich geschützten Bezeichnung verkauft hatte. Der Klägerin standen Lizenzrechte an dieser Bezeichnung zu. Sie hatte dem Verkauf auf dem Amazon-Marketplace nicht zugestimmt. Ein Amazon-Unternehmen hatte den auf den Amazon-Marketplace tätigen Händlern die Möglichkeit eröffnet, ihre Produkte in seinem Logistikzentrum einzulagern. Nach Abschluss eines Kaufvertrags zwischen dem Marketplace-Händler und einem Käufer wurde das entsprechende Parfum-Produkt durch die betroffene Amazon-Gesellschaft verpackt und versendet („Versand durch Amazon”). Die Klägerin war der Ansicht, dass die Amazon-Gesellschaften, u.a. die das in Deutschland gelegene Warenlager betreibende deutsche Amazon-Gesellschaft, durch die Lagerung der ihrer Ansicht nach markenrechtsverletzenden Produkte in die Markenrechte eingreife.
Der BGH hatte dem EuGH folgende Frage vorgelegt (Beschl. v. 26.7.2018 – I ZR 20/17): „Besitzt eine Person, die für einen Dritten markenrechtsverletzende Waren lagert, ohne vom Rechtsverstoß Kenntnis zu haben, diese Ware zum Zwecke des Anbietens oder Inverkehrbringens, wenn nicht sie selbst, sondern allein der Dritte beabsichtigt, die Ware anzubieten oder in Verkehr zu bringen?”
Der Generalanwalt hatte in seinem Schlussantrag vom 28.11.2019 eine differenzierende Ansicht eingenommen:
„Die eingangs genannte Regelung der UMV ist dahin auszulegen, dass eine Person nicht für einen Dritten (Verkäufer) markenrechtsverletzende Waren zum Zweck des Anbietens oder Inverkehrbringens lagert, wenn sie vom Rechtsverstoß keine Kenntnis hat und nicht sie selbst, sondern allein der Dritte beabsichtigt, die Ware anzubieten oder in Verkehr zu bringen.
Sofern diese Person aber im Rahmen eines Programms, das die Eigenschaften des sog. ‘Versand durch Amazon’-Programms aufweist und dem der Verkäufer beigetreten ist, aktiv am Vertrieb dieser Ware beteiligt ist, kann hingegen davon ausgegangen werden, dass sie die Ware zum Zweck des Anbietens oder des Inverkehrbringens lagert”.
Obgleich der EuGH i.d.R. der Ansicht des Generalanwalts folgt, vertrat er nunmehr eine gegenteilige Ansicht und lehnte eine Haftung von Amazon ab:
„Eine Person, die für einen Dritten markenrechtsverletzende Waren lagert, ohne Kenntnis von der Markenrechtsverletzung zu haben, ist so anzusehen, dass sie diese Waren nicht zum Zweck des Anbietens oder Inverkehrbringens im Sinne dieser Bestimmungen besitzt, wenn sie selbst nicht diese Zwecke verfolgt ”.