Arbeitslosengeld II erhalten nur hilfebedürftige Personen, § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen und Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen erhält. Angerechnet werden grds. alle Einnahmen, die im Antragsmonat oder in einem Bedarfsmonat zufließen. Für die Anrechnung im Antragsmonat ist unerheblich, ob die Einnahme vor oder nach der Antragstellung zufließt (sog. Monatsprinzip). Ob diesem Monatsprinzip auch die Vermögensberücksichtigung unterfällt, musste das BSG in seinem Urt. v. 20.2.2020 – B 14 AS 52/18 R (s. hierzu auch Karl, jurisPK-SozR 16/2020, Anm. 2) entscheiden.
Der 1969 geborene allein lebende Kläger nahm aus einer selbstständigen Tätigkeit im September und im Oktober 2013 598,37 EUR ein. An seine beiden Töchter zahlte er aufgrund einer vollstreckbaren Urkunde des Jugendamts Unterhalt i.H.v. 582 EUR monatlich. Am 4.9.2013 wurden auf seinem Konto aus einer gekündigten Lebensversicherung 12.171,23 EUR gutgeschrieben. Hierdurch wurde ein Soll auf diesem Konto i.H.v. 5.531,37 EUR ausgeglichen. Am 5.9.2013 erhielt er außerdem eine Beitragsrückerstattung aus der privaten Krankenversicherung i.H.v. 1.001,79 EUR. Am 19.9.2013 beantragte der Kläger beim Beklagten Arbeitslosengeld II für seinen Regelbedarf und die Aufwendungen zur privaten Krankenversicherung. Unterkunftskosten machte er nicht geltend, weil er kostenlos bei einem Bekannten wohnte. Der Beklagte lehnte die Leistung wegen fehlender Hilfebedürftigkeit ab. Die Klage auf Leistungen für September und Oktober 2013 – ab November 2013 erhielt der Kläger Leistungen nach dem SGB II von einem anderen Jobcenter, in dessen Bereich er umgezogen war – hatte teilweise Erfolg. Das SG verurteilte den Beklagten zur Zahlung von Leistungen in Höhe des Regelbedarfs. Die Berufung des Beklagten blieb ohne Erfolg. Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Beklagte die Verletzung der §§ 9 Abs. 1, 12 Abs. 4 und 37 Abs. 2 S. 2 SGB II. Das BSG hat das Urteil des LSG aufgehoben und zur weiteren Verhandlung an dieses zurückverwiesen.
Wegen des Geltungsraumprinzips, nach dem das Recht der Zeit anzuwenden ist, in der die maßgeblichen Rechtsfolgen eintraten (s. dazu BSG, Urt. v. 19.10.2016 – B 14 AS 53/15 R, Rn 14 f. m.w.N.), legte das BSG der Entscheidung die §§ 19 ff. und 7 ff. SGB II i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuchs und anderer Gesetze vom 7.5.2012 (BGBl I, S. 1167) zugrunde.
Die Beitragserstattung der privaten Krankenversicherung rechnete das BSG einer Steuererstattung (zu dieser BSG, Urt. v. 30.9.2008 – B 4 AS 29/07 R, Rn 17 ff.) vergleichbar als einmalige Einnahme im September 2013, dem Monat des Zuflusses, an. Die Einnahme musste nicht nach § 11 Abs. 3 S. 3 SGB II auf sechs Monate verteilt werden, weil der Leistungsanspruch für September 2013 durch die Anrechnung nicht entfallen ist.
Hinweis:
Das SGB II regelt die Anrechnung von Einkommen und Vermögen unterschiedlich. Es gelten v.a. unterschiedliche Freibeträge. Deshalb müssen die Begriffe gegeneinander abgegrenzt werden. Nach der Rechtsprechung des BSG ist Einkommen alles, was in der Bedarfszeit wertmäßig zufließt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses, außer der Gesetzgeber oder der Verordnungsgeber hat einen anderen Zeitpunkt bestimmt (sog. modifiziertes Zuflussprinzip, BSG, Urt. v. 30.7.2008 – B 14 AS 26/07 R), z.B. die Fiktion der Rückwirkung des Antrags nach § 37 Abs. 2 S. 1 SGB II oder die Verteilung einmaliger Einnahmen auf mehrere Monate nach § 11 Abs. 3 S. 4 SGB II). Vermögen ist all das, was bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit bereits vorhanden ist (s. etwa BSG, Urt. v. 9.8.2018 – B 14 AS 20/17 R, s. ZAP F. 18, S. 1631 f., wobei als maßgebliche Grenze für die Abgrenzung der Leistungsantrag nach § 37 SGB II anzusehen ist, BSG, Urt. v. 24.4. 2015 – B 4 AS 22/14 R, s. ZAP F. 18, S. 1430).
Die Auszahlung aus der Kapitallebensversicherung war dagegen nicht als Einkommen anzurechnen, sondern als Vermögen zu berücksichtigen, weil sie bereits im Vermögen vorhanden war (Rn 22 im Anschluss an BSG, Urt. v. 10.8.2016 – B 14 AS 26/07 R, Rn 23). Maßgeblicher Stichtag für die Vermögensbewertung ist nach den Ausführungen des BSG nicht der Tag der Antragstellung, sondern wegen der Rückwirkung des Leistungsantrags nach § 37 Abs. 2 S. 2 SGB II der 1.9.2013. Dies lasse sich zwar nicht eindeutig § 12 Abs. 4 SGB II entnehmen, folge aber aus Sinn und Zweck von § 37 Abs. 2 S. 2 SGB II, Bedarfsdeckungsmöglichkeiten durch eine Verschiebung des Antrags zu vermeiden. Allerdings müssten nach § 12 Abs. 4 S. 3 SGB II wesentliche Änderungen des Verkehrswerts berücksichtigt werden. Solche liegen nach der Rechtsprechung des BSG vor, wenn sie für die Vermögensfreibeträge relevant sind. Dann muss der Wert eines Kontos im Zeitpunkt der Antragstellung festgestellt werden (BSG, Urt. v. 18.2.2010 – B 4 AS 28/09 R, info also 2010, 186 Rn 27). Beim Verkehrswert...