In zwei Urt. v. 10.12.2019 hat sich das BSG mit den Voraussetzungen des Arbeitslosengeldanspruchs (Alg) bei beruflicher Weiterbildung (§§ 136 Abs. 1 Nr. 2, 144 SGB III) befasst.
1. Voraussetzungen des Anspruchs auf Alg bei geförderter beruflicher Weiterbildung
Der Kläger des Verfahrens B 11 AL 4/19 R bezog Alg und nahm gleichzeitig an einer nach § 81 SGB III geförderten beruflichen Weiterbildungsmaßnahme teil. Während dieser Maßnahme zog er um, teilte dies der beklagten Bundesagentur für Arbeit aber erst nach etwa acht Monaten mit. Für diesen Zeitraum hob die Beklagte die Leistungsbewilligung auf und machte einen Erstattungsanspruch von knapp 9.000 EUR geltend. Klage und Berufung blieben erfolglos. Die vom BSG zugelassene Revision des Klägers hatte Erfolg.
Rechtsgrundlage für die Aufhebungsentscheidung kann § 48 Abs. 1 S. 2 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 S. 1 SGB III sein, wonach ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (um einen solchen handelt es sich bei der Bewilligung von Alg) mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse unter den Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 S. 2 SGB X aufzuheben ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei dessen Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung – das ist jede Änderung, die sich auf Grund oder Höhe der Leistung auswirkt – eintritt. Eine solche Situation, die zur Aufhebung berechtigte, liegt jedoch nicht vor, da der Kläger auch nach seinem Umzug zu Recht Alg bezogen hat.
Nach § 136 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 137 Abs. 1 SGB III hat Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit, wer arbeitslos ist (Nr. 1), sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet hat (Nr. 2) und die Anwartschaftszeit erfüllt (Nr. 3). Gemäß § 136 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 144 Abs. 1 SGB III hat Anspruch auf Alg auch, wer die Voraussetzungen für diesen Anspruch allein wegen einer nach § 81 SGB III geförderten beruflichen Weiterbildung nicht erfüllt. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG handelt es sich bei diesem Anspruch auf Alg bei beruflicher Weiterbildung im Verhältnis zu dem entsprechenden Anspruch bei Arbeitslosigkeit um eine einheitliche Versicherungsleistung, die hinsichtlich ihrer Voraussetzungen und ihres Leistungsumfangs im Grundsatz den Vorschriften der §§ 137 ff. SGB III unterliegt (s. etwa BSG, Urt. v. 3.5.2018 – B 11 AL 6/17 R, Rn 26). Daraus folgt, dass bei der Prüfung, ob ein Anspruch auf Alg besteht, grds. die dort normierten Anspruchsgrundlagen in den Blick zu nehmen sind. Gilt dies auch für die gesetzlichen Anforderungen für das Vorliegen von Arbeitslosigkeit (§ 138 SGB III)?
Arbeitslosigkeit als Anspruchsvoraussetzung für Alg bei Arbeitslosigkeit setzt nach § 138 Abs. 1 SGB III u.a. Verfügbarkeit voraus (Abs. 1 Nr. 3 der Vorschrift). Diese definiert das Gesetz in § 138 Abs. 5 SGB III. Voraussetzung ist hierfür u.a., dass der Betreffende Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann (§ 138 Abs. 5 Nr. 2 SGB III). Konkretisiert wird diese "Erreichbarkeit" durch die sog. Erreichbarkeitsanordnung, nach deren § 1 Abs. 1 S. 2 Arbeitslose u.a. sicherzustellen haben, dass sie persönlich an jedem Werktag an ihrem Wohnort durch Briefpost erreichbar sind, was voraussetzt, dass der Arbeitsagentur stets die aktuelle Wohnanschrift bekannt ist.
Das BSG entscheidet jedoch, dass von Arbeitslosen in einer geförderten Weiterbildungsmaßnahme keine Verfügbarkeit und deshalb auch keine Erreichbarkeit als Element der Verfügbarkeit zu verlangen ist. Zwar stelle der Wortlaut des § 144 Abs. 1 SGB III darauf ab, dass Arbeitslose "allein" wegen der Weiterbildung die Voraussetzung für einen Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit nicht erfüllen. Das LSG hatte angenommen, eine derartige Kausalität sei vorliegend nicht gegeben, denn die fehlende Erreichbarkeit des Klägers sei nicht durch die geförderte Weiterbildungsmaßnahme bedingt, sondern dadurch, dass er umgezogen sei, ohne der Beklagten darüber Mitteilung gemacht zu haben. Das BSG folgt dem nicht. Es entnimmt bereits der unterschiedlichen Bezeichnung der Leistungen als Alg bei "Arbeitslosigkeit" und bei "beruflicher Weiterbildung", grds. und unabhängig von einzelfallbezogenen Kausalitätsabwägungen könne es nicht auf alle Tatbestandsmerkmale der in § 138 SGB III näher geregelten Anspruchsvoraussetzung "Arbeitslosigkeit" ankommen. Der Senat lässt offen, ob damit alle Merkmale der Arbeitslosigkeit – dies sind nach § 138 Abs. 1 SGB III Beschäftigungslosigkeit, Eigenbemühungen und Verfügbarkeit – suspendiert sind, für Verfügbarkeit als Element der Arbeitslosigkeit gelte dies jedenfalls, was sich aus der Entstehungsgeschichte des § 144 Abs. 1 SGB III, den systematischen Regelungszusammenhängen sowie aus dessen Sinn und Zweck ergebe. Dies wird in Rn 17 ff. der Entscheidung im Einzelnen weiter ausgeführt.
Hinweis:
Die Beklagte hatte ihre gegenteilige Auffassung u.a. damit begründet, bei einer Teilnahme an einer geförderten Bildungsmaßnahme sei ebenfalls sicherzustellen, dass auftretende Zweifelsfragen zum Leistungsbezug oder zum Fortgang der Maßnahme mit dem Betreffenden geklä...