I. Einleitung
Das digitale Leben ist aus der heutigen Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Die Möglichkeiten der Internetnutzung werden täglich erweitert und optimiert. Die Nutzung hinterlässt einen digitalen erbrechtlichen Fußabdruck, der bei einer Vorsorge- und Nachfolgeplanung zu berücksichtigen ist. Die tägliche Praxis zeigt aber, dass viele Erblasser bei ihrer Nachfolgeplanung diesen Fußabdruck schlicht vergessen. Dies kann im Erbfall zu Problemen führen. Nach dem schmerzlichen Verlust eines Angehörigen oder Freundes steht der Erbe vor der Aufgabe, den Nachlass des Erblassers zu erfassen. Gegebenenfalls muss er laufende Vertragsbeziehungen kündigen oder Pflichtteilsansprüche gegenüber übergangenen gesetzlichen Erben erfüllen. Bei Pflichtteilsansprüchen muss er ein Nachlassverzeichnis erstellen, in dem auch digitale Vermögenswerte – falls vorhanden – anzugeben sind. Häufig wird der Erbe aber überhaupt nicht wissen, ob der Erblasser digitale Vermögenswerte besitzt. Er wird die Zugangsdaten zu den Benutzerkonten nicht kennen. Fraglich ist, ob er überhaupt Erbe von sensiblen Daten geworden ist. Dies gilt auch für die Frage, ob er Erbe an digital gekauften Filmen oder gekaufter Musik geworden ist. Wie die Gesamtrechtsnachfolge in den digitalen Nachlass erfolgt und welche Regelungen der Erblasser vorsorgend treffen sollte, sind Gegenstand dieses Beitrags. Als Vorlage dienen die medienwirksame Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) (BGH, Urt. v. 12.7.2018 – III ZR 183/17, ZEV 2018, 582 ff. = ZAP EN-Nr. 461/2018) sowie eine umfangreiche Studie der Universitäten Bremen und Regensburg sowie des Fraunhofer Instituts SIT zum digitalen Nachlass (Studie, Der digitale Nachlass – Eine Untersuchung aus rechtlicher und technischer Sicht, 12/2019, abrufbar unter: https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/Fachinformationen/2019-12-Studie-digitaler-Nachlass.pdf;jsessionid=52B844E5E49ECF0E53470C4E90DCC032.2_cid324?__blob=publicationFile&v=2; zuletzt abgerufen am 29.7.2020).
II. Definition des digitalen Nachlasses
Der Begriff "digitaler Nachlass" hat sich als Schlagwort etabliert. Hierzu haben sich unterschiedliche Definitionsansätze gebildet (vgl. Funk, Das Erbe im Netz: Rechtslage und Praxis des digitalen Nachlasses, 1. Aufl. 2017, S. 3; Pruns, NWB 2013, 3161; Deusch, ZEV 2014, 2). Eine Umschreibung des Begriffs "digitaler Nachlass" kann wie folgt lauten:
Zitat
Der digitale Nachlass umfasst die Gesamtheit des digitalen Vermögens, also Urheberrechte, Rechte an Websites, Domains sowie sämtliche Vertragsbeziehungen zwischen Providern und dem Erblasser hinsichtlich der Nutzung des Internets selbst, aber auch hinsichtlich diverser Internetangebote (...) und erfasst damit auch die Gesamtheit aller Accounts und Daten des Erblassers im Internet (Bräutigam in DAV-Stellungnahme Nr. 34/2013, S. 93).
Zum dem digitalen Vermögen können im Einzelnen die folgenden persönlichen Daten gehören (vgl. Studie, Der digitale Nachlass – Eine Untersuchung aus rechtlicher und technischer Sicht, 12/2019, s. abrufbare Website a.a.O. zuvor unter I.):
- in sozialen Netzwerken (Facebook, Twitter, Instagram, usw.) hinterlassene Daten;
- persönliche Konten mit eigenen Daten (Blogs, Urheberrechte, Rechte an Webseiten und Domainnamen, YouTube-Accounts mit Werbeeinnahmen usw.);
- digitale Inhalte in Form von elektronischen Büchern und heruntergeladenen Musikdateien;
- im elektronischen Handel und bei elektronischen Buchungen erworbene Bonuspunkte und Rabatte (Flugmeilen, Payback-Punkte, usw.);
- virtuelles Geld – sog. Kryptowährung – und Geldbörsen mit Guthaben auf elektronischen Plattformen (Bitcoins, Guthaben bei PayPal usw.) sowie
- bestehende kostenpflichtige Vertragsbeziehungen mit Online-Dienstanbietern (Streaming-Portale: Netflix, Amazon-Video usw.).
III. Vererbbarkeit von Daten
Gemäß § 1922 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geht mit dem Tode einer Person deren Vermögen als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen über, sog. Gesamtrechtsnachfolge. Hierbei unterscheidet das BGB nicht zwischen analogem und digitalem Nachlass. Das Vermögen geht ungeteilt auf den Erben über, wodurch dieser in die Rechtspositionen des Erblassers eintritt (vgl. PalandtWeidlich, § 1922 BGB Rn 10).
1. Speichermedium, Daten, Dateninhalt
Zunächst erbt der Erbe das Eigentum an der Hardware (Desktop-Rechner, Laptop, Tablet) und an den Speichermedien (Datenträger, USB-Stick usw.) des Erblassers. Die auf dem Speichermedium befindlichen Daten teilen das Schicksal des Speichermediums, wodurch zumindest das aus dem Eigentum folgende Recht auf Nutzung des Datenträgers sowie der Zugriff auf die dort gespeicherten Dateien auf die Erben übergeht (vgl. Herzog/Pruns, Der digitale Nachlass, 1. Aufl. 2017, § 2 Rn 6). Der Erbe kann über die Daten verfügen, wodurch er beispielweise über die Löschung oder Veränderung der Dateien bestimmen sowie die in den Dateien verkörperten Inhalte einsehen kann (vgl. Herzog/Pruns, a.a.O. § 2 Rn 29). Inwieweit der Erbe ein absolutes Recht an Daten des Erblassers erwerben kann, wird derzeit lebhaft diskutiert (vgl. Studie, Der digitale Nachlass – Eine Untersuchung aus rechtlicher und tech...