Nach dem Deutschen Richterbund hat sich auch die Neue Richtervereinigung (NRV) im Anschluss an die Kritik der EU-Kommission (s. dazu Anwaltsmagazin ZAP 15/2022, 752 f.) zu Wort gemeldet und eine „wirkliche Reform” bei der Richterbesoldung angemahnt. In einer Pressemitteilung von Mitte August führte die Vereinigung aus, dass sie das bestehende Besoldungssystem für „antiquiert” hält. Es entstamme „einem Justizverständnis des vorletzten Jahrhunderts” und müsse „dringend und grundlegend” überarbeitet werden.
Die NRV argumentiert, dass Richterinnen und Richter in Deutschland sowie auch Staatsanwältinnen und Staatsanwälte nach einem hierarchischen Besoldungssystem bezahlt würden, das der Beamtenbesoldung entlehnt sei. Dieses System mache Unterschiede dort, wo keine Unterschiede bestünden. Das hierarchische Besoldungssystem führe zu einer Einzwängung der Richter/Richterinnen in ein von der Justizverwaltung dominiertes Beurteilungs- und Beförderungssystem. Das habe gravierende Auswirkungen auf die Unabhängigkeit der Justiz. Auch Richter und Richterinnen seien nur Menschen und in ihrer Funktion Bestandteil des Justizapparats. Es sei „menschlich, in einem solchen System gefallen und dann auch befördert werden zu wollen”. Allerdings stelle sich dann die Frage, wie unabhängig Richter und Richterinnen wirklich sein könnten, wenn sie von der Institution, nämlich der Verwaltung, beurteilt und befördert würden, die sie i.R.d. Gewaltenteilung eigentlich kontrollieren sollen. In Deutschland kontrolliere somit eigentlich der Kontrollierte den Kontrolleur, so das Fazit des NRV.
Carsten Löbbert vom Bundesvorstand der Vereinigung schlägt dazu vor: „Man kann Justiz besser organisieren. Viele Länder in Europa machen uns das vor. Es gibt Organisationformen, die weitgehend hierarchiefrei die Justiz organisieren und mit modernen Formen Qualität und Effizienz sichern.” Die Richter und Richterinnen verweisen in ihrer Pressemitteilung auch auf eine Stellungnahme, die der frühere BGH-Richter Prof. Dr. Thomas Fischer kürzlich zu diesem Thema abgegeben hat. Darin führt er aus, dass er die Richter/Richterinnen in Deutschland für nicht (mehr) angemessen bezahlt erachtet und zudem die hierarchieorientierte Abstufung der Besoldung für sachwidrig hält. „Ein Richter am Amtsgericht leistet nicht weniger als ein Richter am Bundesgerichtshof, sondern hat nur eine andere Aufgabe”, so Fischer. Sein radikaler Vorschlag: Einheitliche, in allen Instanzen und Funktionen gleich hohe Besoldung für alle Richter und Richterinnen in einer Höhe, die der herausgehobenen Stellung ihrer Aufgabe entspricht.
[Quelle: NRV]