Aus der Entscheidung des OLG Stuttgart, der der BGH in allen wichtigen Punkten gefolgt ist, können für die Bestimmung von Rahmengebühren folgende allgemeingültige Erkenntnisse gezogen werden:
Hinweis:
Wird der Rechtsanwalt in einer Vielzahl von gleichgelagerten Fällen tätig, so ist der von ihm auch für die Klärung schwieriger rechtlicher und tatsächlicher Fragen erforderliche Aufwand ebenso wie die hierfür aufgewandte Zeit auf sämtliche Verfahren zu verteilen.
Dies kann dazu führen, dass selbst eine zeitlich sehr aufwändige und in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht sehr schwierige Einarbeitung des Rechtsanwalts in die Problematik, bezogen auf den jeweiligen Einzelfall, nur den Ansatz der sog. Schwellengebühr mit einem Gebührensatz von 1,3 rechtfertigt. Eine Ausnahme gilt für den Fall, dass auch in dem betreffenden Einzelfall die Anwaltstätigkeit umfangreich und/oder schwierig gewesen ist.
Die Problematik des Synergieeffekts stellt sich meist in den Fällen, in denen Rechtsanwälte eine Vielzahl von Mandanten einzeln vertreten und hierbei auf die jeweilige umfangreiche und schwierige Einarbeitung in die weitgehend identische Thematik zurückgreifen können. Der sog. Dieselskandal ist nur einer der Fälle, in denen diese Problemstellung zu Tage tritt.
Dies kann man – wie das OLG Stuttgart formuliert hat – als „Aspekt der Rationalisierung” oder als Synergieeffekt ansehen.
Hinweis:
Je mehr gleichgelagerte Fälle der Rechtsanwalt bearbeitet, desto geringer ist sein Arbeitsaufwand für die nachfolgenden einzelnen Fälle und desto einfacher ist die Bearbeitung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht.
Denn der Rechtsanwalt muss die Ergebnisse der von ihm bereits in einer Vielzahl von anderen Fällen geleisteten Arbeit lediglich auf den nunmehr anstehenden Einzelfall übertragen, was häufig formularmäßig und möglicherweise teilweise von gut geschultem Büropersonal vorgenommen werden kann.
Das OLG Stuttgart und der BGH mussten sich vorliegend nicht damit befassen, ab dem wievielten Fall die Rationalisierung so stark eingreift, dass lediglich der Ansatz der Schwellengebühr mit einem Gebührensatz von 1,3 oder ein noch geringerer Gebührensatz billig i.S.v. § 14 Abs. 1 RVG ist. Darüber kann man nämlich im Einzelfall trefflich streiten.
Gebührentipp:
Der Aspekt der Rationalisierung oder der Synergieeffekt kann in der Praxis nur dann berücksichtigt werden, wenn von dem ersatzpflichtigen Gegner dargelegt und im Streitfall bewiesen wird, dass der Rechtsanwalt des Klägers in einer Vielzahl von gleichgelagerten Fällen aufgetreten ist. Hierzu muss der Gegenanwalt die erforderlichen Umstände kennen. Angesichts der Masse der Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit dem sog. Dieselskandal, der viele Gerichte gewissermaßen lahmlegt, dürfte dies allerdings kein großes praktisches Problem sein. Die Rechtsanwälte der beklagten Unternehmen haben natürlich ebenfalls im Laufe der Zeit erfahren, welche Rechtsanwaltsbüros auf Klägerseite tätig werden. Deshalb können die Rechtsanwälte der Beklagten problemlos vortragen, dass und ggf. in etwa welcher Anzahl die klägerischen Anwälte in gleichgelagerten Fällen tätig geworden sind. Häufig ergibt sich dieser Umstand aber auch aus dem eigenen Vorbringen des Klägeranwalts, der seiner Klageschrift Kopien einer Reihe von ihm in anderen Fällen erstrittener Urteile beifügt. Der Rechtsanwalt, der für seinen Mandanten die Geschäftsgebühr gerichtlich geltend macht, hat zwar die für die Bestimmung der Geschäftsgebühr maßgeblichen Umstände vorzutragen. Den Umstand, dass er in anderen Angelegenheiten für andere Mandanten in gleicher Weise tätig gewesen ist, wird er allerdings nicht unbedingt in den Vordergrund seines Vorbringens stellen.