Schließlich führt der BGH als dritten Ausnahmetatbestand den Fall an, dass der Rechtsanwalt einen gesetzlichen Gebührentatbestand übersehen hat. Einen solchen Fall kann sich der Verf. bei der Abrechnung einer Betragsrahmengebühr kaum einmal vorstellen, jedenfalls nicht bei einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG. Der Rechtsanwalt weiß doch, dass er die Geschäftsgebühr abrechnet. Selbst wenn er einen anderen gesetzlichen Gebührentatbestand hierbei übersehen hätte, hat dies auf die Bestimmung des Gebührensatzes für die Geschäftsgebühr keinerlei Einfluss. Es gibt auch – innerhalb der Geschäftsgebühren – keinen Tatbestand, der einen höheren Gebührenrahmen, als in Nr. 2300 VV RVG mit 0,5 bis 2,5 vorgesehen ist, bestimmt. Es kommt auch nicht der umgekehrte Fall in Betracht, dass der Rechtsanwalt eine Geschäftsgebühr mit einem niedrigeren Gebührenrahmen als in Nr. 2300 VV RVG vorgesehen berechnet hat. Denkbar wäre lediglich der Fall, dass der Rechtsanwalt fälschlich der Annahme gewesen ist, sein Auftrag beschränke sich auf ein Schreiben einfacher Art. In diesem Fall beträgt der Gebührensatz der Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG nach der Regelung in Nr. 2301 VV RVG 0,3. Dabei handelt es sich um eine Gebühr mit einem festen Gebührensatz und um keine Rahmengebühr, sodass insoweit der Rechtsanwalt keine Gebührenbestimmung vorzunehmen hat, bei der er sich hätte irren können. Hat also der Rechtsanwalt irrtümlich nach Nr. 2301 VV RVG eine Geschäftsgebühr mit einem Gebührensatz von 0,3 berechnet und fällt ihm dann auf, dass sich der Auftrag gerade nicht auf ein Schreiben einfacher Art beschränkt hat, sondern Gegenstand des Auftrags eine umfassende außergerichtliche Vertretung war, so kann er wegen dieses Irrtums nunmehr dem Auftraggeber die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG in Rechnung stellen. Dies hat jedoch nichts damit zu tun, ob der Rechtsanwalt an eine einmal gem. § 14 Abs. 1 S. 1 RVG getroffene Gebührenbestimmung gebunden ist oder nicht.
Gebührentipp:
Folgt man dem BGH, muss man den Anwälten empfehlen, sich in der Vergütungsberechnung bei Bestimmung jeder Rahmengebühr die Erhöhung ausdrücklich vorzubehalten. In diesem Fall ist der Rechtsanwalt – so der BGH – an die von ihm getroffene Gebührenbestimmung nicht gebunden. Die anderen beiden Ausnahmefälle, die der BGH aufführt, kommen jedenfalls bei der Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG praktisch nicht zur Anwendung.