Zwei Tage vor der Bundestagswahl beschäftigte sich der Bundesrat am 22. September in seiner 960. Sitzung noch mit den letzten Gesetzgebungsvorhaben der abgelaufenen Legislaturperiode. Er billigte eine Reihe von Gesetzen und Verordnungen, wies einige Vorhaben aber auch zurück. Im Einzelnen:
- Bekämpfung der Raserszene
Illegale Autorennen auf öffentlichen Straßen werden künftig mit Freiheitsstrafen von bis zu zehn Jahren geahndet. Der Bundesrat billigte die entsprechende Strafverschärfung, die der Bundestag bereits im Juni beschlossen hatte. Allein die abstrakte Gefährdung der Durchführung eines illegalen Rennens wird künftig Grundlage für die Bestrafung. Bislang konnte die Beteiligung an illegalen Autorennen nur als Ordnungswidrigkeit mit Geldbußen geahndet werden, solange dabei niemand ernsthaft zu Schaden kam. Bei schweren Personenschäden sind künftig dagegen bis zu zehn Jahre Haft möglich. Strafbar wird zudem auch schon der Versuch, ein illegales Rennen durchzuführen. Ebenfalls strafbar macht sich künftig derjenige, der als einzelner Auto- oder Motorradfahrer grob verkehrswidrig und rücksichtslos rast, als wäre er in einem Rennen – quasi gegen sich selbst oder fiktive Gegner. Damit reagiert der Gesetzgeber auf den Trend, Videos von halsbrecherischen Fahrten aufzunehmen und ins Internet zu stellen.
- Blockierung von Rettungsgassen
Autofahrer, die für Polizei- und Hilfskräfte keine Rettungsgasse bilden, müssen künftig mit einem Bußgeld bis zu 200 EUR rechnen. Kommt es darüber hinaus zu einer weiteren Behinderung, Gefährdung oder Sachbeschädigung, kann es bis zu 120 EUR teurer werden. Zudem droht ein einmonatiges Fahrverbot.
- Erweitertes Handyverbot am Steuer
Durchgewinkt hat der Bundesrat auch den Verordnungsentwurf der Bundesregierung, der das Handy-Verbot für Fahrzeugführer auf weitere Geräte erstreckt. Die neue Verordnung enthält eine technikoffene Formulierung, die sicherstellen soll, dass sich Fahrer während der Fahrt grundsätzlich nicht durch Informations-, Kommunikations- und Unterhaltungsmittel ablenken lassen. Die Bedienung der Geräte mittels Sprachsteuerung und Vorlesefunktion bleibt zulässig, ebenso deren sekundenschnelle Nutzung. Bei einem Verstoß gegen die geänderten Vorschriften zur Nutzung elektronischer Geräte drohen erhöhte Bußgelder. Darüber hinaus schreibt die Verordnung vor, dass Autofahrer ihr Gesicht am Steuer nicht verhüllen oder verdecken dürfen, um eine Identitätsfeststellung zu vereiteln.
Gebilligt hat der Bundesrat auch die vom Bundestag bereits im Juni verabschiedeten Nachbesserungen im Telemediengesetz. Sie sollen nun endgültig die sog. Störerhaftung für Anbieter öffentlichen Internets z.B. in Schulen, Bürgerämtern oder Bibliotheken beseitigen. Das Gesetz stellt außerdem klar, dass Behörden WLAN-Betreiber nicht verpflichten dürfen, Nutzer zu registrieren oder ein Passwort für die Nutzung zu verlangen. Auf freiwilliger Basis ist dies aber weiter möglich. Eine Registrierung, bei der die persönlichen Daten von Nutzern zu anderen als Abrechnungszwecken gespeichert werden, soll datenschutzrechtlich allerdings nur mit Einwilligung des Nutzers erfolgen dürfen.
- Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren
Künftig werden in bestimmtem Rahmen Live-Übertragungen von Gerichtsverhandlungen möglich sein. Die Ländervertretung billigte ein entsprechendes Gesetz, welches das seit 1964 bestehende Verbot von Ton- und Rundfunkaufnahmen von Gerichtsverhandlungen und Urteilsverkündungen lockert. Zu den wichtigsten Neuerungen gehört, dass künftig Tonübertragungen für Journalisten in Medienarbeitsräume möglich sind. Dies war vor allem beim Münchener NSU-Prozess gefordert worden. Außerdem kann die Verkündung von Entscheidungen des BGH in besonderen Fällen in Hörfunk und Fernsehen ausgestrahlt werden. Das Gesetz sieht zudem vor, dass zu wissenschaftlichen und historischen Zwecken Tonaufnahmen von Verhandlungen des BVerfG zulässig sind, wenn es sich um ein zeitgeschichtlich besonders relevantes Verfahren handelt. Ob es zu der jeweiligen Übertragung bzw. Aufzeichnung kommt, entscheidet das Gericht im Einzelfall und unanfechtbar.
- Mehr Rechtssicherheit für Berufsgeheimnisträger
Gebilligt haben die Länder auch das Vorhaben mit dem umfangreichen Titel "Gesetz zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen". Damit wird auch für Rechtsanwälte ein Rechtsrahmen für das sog. Outsourcing geschaffen. Bislang standen dem das geltende Berufsrecht und der strafrechtliche Schutz von Berufsgeheimnissen in § 203 StGB entgegen. So riskierte etwa derjenige, der externe Unterstützung z.B. durch IT-Hilfskräfte oder ähnliche Dienstleister in Anspruch nahm, einen Verstoß gegen das Berufsrecht bis hin zu strafrechtlichen Konsequenzen. Die nunmehr beschlossene Neufassung des § 203 StGB und im Berufsrecht regelt die Voraussetzungen, unter denen die Weitergabe und das Zugänglichmachen von Geheimnissen an mitwirkende Personen möglich wird.