I. Einleitung
Der Anteil befristeter Arbeitsverträge an den Neueinstellungen in Deutschland lag im Jahr 2016 mit 1,6 Mio. befristeten Stellen oder rund 45 % der neu eingestellten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten bei Arbeitnehmern sowohl jüngeren, mittleren als auch höheren Alters durchgehend hoch. Insgesamt stieg der Anteil befristeter Beschäftigung an der Gesamtbeschäftigung von 7,7 % im Jahr 2015 auf 7,8 % im Jahr 2016. Die Quote der Arbeitnehmer, die nach einer Befristung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen wurden, blieb 2016 mit 40 % unverändert (s. "Anteil befristeter Arbeitsverträge nimmt stark zu", manager magazin v. 6.9.2017).
II. Bedeutung befristeter Arbeitsverhältnisse
Die wirksame Befristung von Arbeitsverhältnissen ist komplex und weist eine Vielzahl von Fallstricken und Stolpersteinen auf. Das belegt nicht zuletzt die hohe Zahl arbeitsgerichtlicher Auseinandersetzungen.
Zum richtigen Verständnis der Befristung von Arbeitsverträgen und ihren rechtlichen Grenzen sowie den damit verbundenen Rechtsthemen ist es hilfreich, sich die umstrittene arbeitsmarktpolitische und wirtschaftliche Bedeutung dieses arbeitsrechtlichen Instruments vor Augen zu führen. Während die Arbeitgeberseite insbesondere die sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG als unbürokratisches Instrument der Erprobung und der Flexibilisierung lobt, um nicht planbare, schwankende Auftragsspitzen sowie sich stetig im Fluss befindliche Marktentwicklungen abzufedern (vgl. Höpfner NZA 2011, 893; BT-Drucks 14/4374, S. 14), sehen arbeitnehmernahe Kreise sorgenvoll die Zahl ohne Sachgrund befristeter Arbeitsverträge beständig steigen (vgl. BT-Drucks 18/11598 und 18/11608), was den Kündigungsschutz aushöhle und gerade jungen Arbeitnehmern die Möglichkeit einer existenzsichernden, dauerhaften Beschäftigung nehme.
Hinweis:
Der nachfolgende Beitrag zeigt mögliche Haftungsfallen auf und gibt – ausgerichtet an der aktuellen BAG-Rechtsprechung des Siebten Senats – praxisrelevante Hinweise, um im arbeitsrechtlichen Mandat im Bereich des Befristungsrechts typische Rechts- bzw. Rechtsanwendungsfehler zu vermeiden.
III. Grenzen der Befristung – Gestaltungsmissbrauch
Die Befristung grenzt den arbeitsrechtlichen Bestandsschutz ein und sorgt für eine bessere Planbarkeit des vorübergehenden Beschäftigungsbedarfs. Oftmals unwägbare Prozess- und wirtschaftliche Risiken, die für den Arbeitgeber bei der Kündigung eines Arbeitnehmers entstehen, lassen sich durch eine wirksame Befristung rechtssicher beherrschen. Insoweit steht die Befristung aus Sicht der Unternehmen und der Unternehmer einerseits für Flexibilität, Rechtssicherheit und Planbarkeit, die man sonst im Arbeitsrecht vermisst. Andererseits sichern das Vorbeschäftigungsverbot nach § 14 Abs. 2 S 2 TzBfG ebenso wie die Rechtsprechung in ihrem Bemühen, Missbrauch zu unterbinden (Stichworte: Gestaltungs- bzw. institutioneller Rechtsmissbrauch, vgl. BAG 26.10.2016 – 7 AZR 140/15, Rn 30; BAG 26.10.2016 – 7 AZR 135/15, Rn 27 f.; BAG 15.5.2013 – 7 AZR 525/11, Rn 17; BAG 18.7.2012 – 7 AZR 783/10, Rn 33), den arbeitsrechtlichen Bestandsschutz.
Die Ausnutzung der durch das TzBfG vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten kann unter bestimmten Voraussetzungen rechtsmissbräuchlich sein, etwa wenn mehrere rechtlich und tatsächlich verbundene Vertragsarbeitgeber in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit einem Arbeitnehmer aufeinanderfolgende sachgrundlos befristete Arbeitsverträge ausschließlich deshalb eingehen, um auf diese Weise über die nach § 14 Abs. 2 TzBfG vorgesehenen Befristungsmöglichkeiten hinaus sachgrundlose Befristungen aneinanderreihen zu können. Ein sich aus dem bewussten und gewollten Zusammenwirken mehrerer Personen bei den Vertragsgestaltungen ergebender Rechtsmissbrauch kann zur Folge haben, dass sich Rechte – die etwa durch die Zwischenschaltung eines "Strohmanns" umgangen werden sollen – gegen einen Dritten richten können (BAG 15.5.2013 – 7 AZR 525/11, Rn 17, 26).
Auch wenn ein Sachgrund für die Befristung eines Arbeitsvertrags nach § 14 Abs. 1 TzBfG besteht, ist gemäß der Rechtsprechung des Siebten Senats eine umfassende Kontrolle nach den Grundsätzen eines institutionellen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) i.d.R. geboten, wenn die Gesamtdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses acht Jahre überschreitet oder mehr als zwölf Verlängerungen des befristeten Arbeitsvertrags vereinbart wurden oder wenn die Gesamtdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses sechs Jahre überschreitet und mehr als neun Vertragsverlängerungen vereinbart wurden. Unter diesen Voraussetzungen hängt es von weiteren, zunächst von dem Kläger vorzutragenden Umständen ab, ob ein Missbrauch der Befristungsmöglichkeit anzunehmen ist.
Beispiel:
Von einem indizierten Rechtsmissbrauch ist i.d.R. auszugehen, wenn die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses zehn Jahre überschreitet oder mehr als 15 Vertragsverlängerungen vereinbart wurden oder wenn mehr als zwölf Vertragsverlängerungen bei einer Gesamtdauer von mehr als acht Jahren vorliegen. In einem solchen Fall hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, die Annahme des indizierte...