Das Verfahren bei der polizeilichen Vernehmung nach § 163a StPO des Beschuldigten hat zwei wesentliche Änderungen erfahren:
a) Informations- und Hinweispflichten
In § 163a Abs. 4 S. 2 StPO wird auch auf die neuen § 136 Abs. 1 S. 3 u. 4 StPO verwiesen. Damit gelten die Informations- und Hinweispflichten betreffend Verteidiger und anwaltliche Notdienste auch für polizeiliche Vernehmungen (vgl. dazu VIII. 3)
Hinweis:
Werden diese Pflichten nicht erfüllt, können Beweisverwertungsverbote bestehen (vgl. Burhoff, EV, Rn 3141 ff. m.w.N.).
b) Anwesenheitsrecht des Verteidigers
Die StPO sah bislang für Beschuldigtenvernehmungen im Ermittlungsverfahren ein Anwesenheitsrecht des Verteidigers nur für richterliche (§ 168c Abs. 1 StPO) und staatsanwaltschaftliche (§ 163a Abs. 3 S. 2 StPO i.V.m. § 168c Abs. 1 StPO) Vernehmungen vor. Ein Recht auf Teilnahme an einer polizeilichen Vernehmung des Beschuldigten hatte der Verteidiger nicht. Zwar hatte der Beschuldigten nach § 137 Abs. 1 S. 1 StPO das Recht, sich in jeder Lage des Verfahrens des Beistands eines Verteidigers zu bedienen, und war darüber auch bei einer Vernehmung durch Polizeibeamte zu belehren (§ 163a Abs. 4 S. 2 i.V.m. § 136 Abs. 1 S. 2 StPO). Der Verteidiger konnte den Beschuldigten jederzeit beraten und ihm beispielsweise nahelegen, bei der Polizei keine Angaben zu machen, so dass eine effektive Verteidigung trotzdem gewährleistet war. Der Beschuldigte konnte auch erklären, nur in Anwesenheit seines Verteidigers aussagen zu wollen. Er hatte jedoch auch in einem solchen Fall keinen Anspruch darauf, dass dem Verteidiger die Anwesenheit gestattet wird. Wurde die Anwesenheit des Verteidigers verwehrt, blieb dem Beschuldigten nur die Möglichkeit, die Aussage zu verweigern, was der Aussage in Anwesenheit seines Verteidigers nicht gleichkommt.
An der Stelle hat nun § 163a Abs. 4 StPO eine wesentliche Änderung erfahren. Es wird nämlich jetzt auf § 168c Abs. 1, 5 StPO verwiesen. Dort ist das Anwesenheitsrecht des Verteidigers (Abs. 1) und das Recht auf Benachrichtigung (Abs. 5) geregelt (wegen der Einzelheiten Burhoff, EV, Rn 3284 ff. m.w.N.).
Hinweise:
- Das gilt im selben Umfang jetzt auch bei einer polizeilichen Vernehmung.
- Wird das Recht auf die Anwesenheit eines Verteidigers verletzt, können Beweisverwertungsverbote entstehen. Insoweit wird man die Rechtsprechung zur richterlichen Vernehmung (vgl. Burhoff, EV, Rn 3296 ff.) entsprechend anwenden können/müssen.
Nach § 163a Abs. 4 S. 3 StPO i.V.m. § 168c Abs. 1 StPO soll dem Verteidiger und der Staatsanwaltschaft nach der Vernehmung des Beschuldigten Gelegenheit gegeben werden, sich zu erklären oder Fragen an den Beschuldigten zu stellen. Durch einen Verweis in § 168c Abs. 1 S. 3 StPO auf § 241 Abs. 2 StPO ist es möglich, dass der Polizeibeamte, der die Vernehmung leitet, ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen – wie auch der Richter bei Vernehmungen des Angeklagten in der Hauptverhandlung – zurückweisen kann.
Hinweis:
Wird eine Frage zurückgewiesen, gibt es dagegen – anders als in der Hauptverhandlung der Weg über § 238 Abs. 2 StPO – kein Rechtsmittel. Der Beschuldigte und der anwesende Verteidiger haben dann nur die Möglichkeit, weitere Angaben zur Sache zu verweigern.
Autor: Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg
ZAP F. 22, S. 1079–1096