§ 141 Abs. 3 S. 4 StPO gebietet in Fall 2 die Bestellung eines Verteidigers, "wenn die Mitwirkung eines Verteidigers aufgrund der Bedeutung der Vernehmung zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten geboten erscheint". Liegen diese Voraussetzungen vor, ist die Bestellung obligatorisch und unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 140 Abs. 1 und Abs. 2 StPO.
Die Bestellung und die Mitwirkung eines Verteidigers muss "aufgrund der Bedeutung der Vernehmung zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten geboten " sein. Dass die Bestellung/Mitwirkung des Verteidigers nur "erforderlich" ist, reicht also nicht aus. Geboten dürfte die Mitwirkung eines Verteidigers insbesondere (vgl. BT-Drucks 18/11277, S. 28; auch Schlothauer StV 2017, 557 f., Burhoff, StPO 2017, Rn 122) in den Fällen sein, in denen auch in der Vergangenheit schon eine Beiordnung eines Pflichtverteidigers im Ermittlungsverfahren als notwendig angesehen worden ist (vgl. Burhoff, EV, Rn 3056 ff.), oder wenn durch die Beweiserhebung dem Verlust erheblicher Entlastungsbeweise vorgebeugt werden soll (§ 166 Abs. 1 StPO; Schlothauer StV 2017, 557, 558).
Ob die Bedeutung der Vernehmung die Mitwirkung eines Verteidigers zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten gebietet, ist eine Frage des Einzelfalls, bei der alle Umstände zu würdigen sind. Entscheidend bei der Abwägung ist der Stellenwert der Aussage für die Ermittlungen bzw. für das weitere Verfahren (BT-Drucks 18/11277, S. 29).
Hinweis:
Für die haftrichterliche Beschuldigtenvernehmung nach §§ 115 Abs. 2, 115a Abs. 2 und 128 Abs. 1 S. 2 StPO ist davon auszugehen, dass in diesen Fällen immer die Mitwirkung eines Pflichtverteidigers zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten geboten ist. Denn es ist immer unmittelbar das Freiheitsrecht des Beschuldigten (Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG) tangiert, da es bei diesen Vernehmungen immer um die Frage geht, ob gegen den Beschuldigten ein Haftbefehl ergeht bzw. die Haft aufrechterhalten oder der Haftbefehl aufgehoben wird, also um die Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG).
Der (Ermittlungs-)Richter ist nicht an die Einschätzung der Staatsanwaltschaft gebunden (BT-Drucks 18/11277, a.a.O.). Wäre das der Fall, würde die Regelung ins Leere laufen. Sie ist vielmehr ein Korrektiv für die Fälle, in denen die Staatsanwaltschaft keinen Antrag nach § 141 Abs. 3 S. 4 Fall 1 StPO stellt, der Richter/das Gericht jedoch der Auffassung ist, dass die Mitwirkung eines Verteidigers bei der richterlichen Vernehmung geboten ist, z.B. dann, wenn der Richter einer Aussage eine andere/größere Bedeutung für das Verfahren beimisst als die Staatsanwaltschaft. Dann soll der Richter nicht an die Einschätzung der Staatsanwaltschaft gebunden und ggf. gehalten sein, die Vernehmung ohne den nach seiner Meinung erforderlichen Pflichtverteidiger durchzuführen, sondern kann – aus eigenem Recht – einen Pflichtverteidiger bestellen.