Auf folgende weitere für die Praxis wichtige Änderungen durch das "Zweite Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren und zur Änderung des Schöffenrechts" vom 27.8.2017 (BGBl I, S. 3295) ist hinzuweisen:
1. Allgemeines
Mit der Richtlinie 2013/48/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.10.2013 über das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand in Strafverfahren und in Verfahren zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls sowie über das Recht auf Benachrichtigung eines Dritten bei Freiheitsentzug und das Recht auf Kommunikation mit Dritten und mit Konsularbehörden während des Freiheitsentzugs (ABl L 294 v. 6.11.2013, S. 1) waren den Mitgliedsländern der EU weitere Maßnahme zur Stärkung der Verfahrensrechte von Verdächtigen oder Beschuldigten in Strafverfahren aufgegeben worden. Diese sind durch das "Zweite Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren und zur Änderung des Schöffenrechts" (BGBl I, S. 3295) jetzt umgesetzt worden.
Hinweis:
Das Gesetz ist am 4.9.2017 verkündet worden. Die Änderungen sind daher am 5.9.2017 in Kraft getreten und gelten als Verfahrensrecht auch in allen bereits laufenden Verfahren.
2. Gegenüberstellung
Bei Gegenüberstellungen ist dem Verteidiger des Beschuldigten bisher ein Anwesenheitsrecht nicht eingeräumt worden (vgl. Burhoff, EV, Rn 2069 ff.), was m.E. nicht zutreffend war (Burhoff, EV, a.a.O.). § 58 Abs. 2 StPO in nun aber geändert worden:
Nach § 58 Abs. 2 S. 2 StPO ist bei einer Gegenüberstellung mit dem Beschuldigten die Anwesenheit von dessen Verteidiger gestattet. Dies gilt ohne Einschränkung sowohl für Vernehmungsgegenüberstellungen als auch für Identifizierungsgegenüberstellungen (vgl. eingehend zu Gegenüberstellungen Burhoff, EV, 2056 ff.). Spontanes Wiedererkennen eines Beschuldigten durch einen Zeugen wird von § 58 Abs. 2 StPO hingegen nicht erfasst. Weiterhin ist in § 58 Abs. 2 S. 3 StPO sichergestellt worden, dass der Verteidiger vor dem Termin benachrichtigt wird, um von seinem Anwesenheitsrecht Gebrauch machen zu können. Wie für Vernehmungen des Beschuldigten in § 168c Ab. 5 S. 3 StPO geregelt, besteht nach § 58a Abs. 2 S. 4 StPO aber kein Anspruch auf Verlegung eines Termins bei Verhinderung.
Hinweis:
Da die Regelung nur bei Gegenüberstellungen mit dem Beschuldigten greift, sind Wahllichtbildvorlagen auch zukünftig ohne Anwesenheit des Verteidigers möglich (BT-Drucks 18, 9534, S. 21 f.).
3. Erste Vernehmung des Beschuldigten
Die erste Vernehmung des Beschuldigten ist in § 136 StPO geregelt. Die dabei zu beachtenden Verfahrensregeln sind in § 136 Abs. 1 StPO um einen neuen Satz 3 und einen neuen Satz 4 erweitert worden. Dies dient der Umsetzung von Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2013/48/EU. Danach müssen sich die Mitgliedstaaten bemühen, den Zugang zu einem Rechtsbeistand durch allgemeine Informationen zu erleichtern, und die notwendigen Vorkehrungen treffen, um diesen Zugang auch für jene Beschuldigten sicherzustellen, denen die Freiheit entzogen ist. In der Rechtsprechung (vgl. Burhoff, EV, Rn 3130 ff. m.w.N.) war anerkannt, dass dann, wenn der Beschuldigte nach einem Verteidiger verlangt hat, eine Vernehmung ohne Verteidiger nur fortgesetzt werden darf, wenn sich der Beschuldigte ausdrücklich nach erneutem Hinweis auf sein Recht auf Zuziehung eines Verteidigers mit der Fortsetzung der Vernehmung einverstanden erklärt und ernsthafte Bemühungen der vernehmenden Person vorausgegangen sind, den Beschuldigten bei der Kontaktaufnahme zu einem Verteidiger zu unterstützen (BGHSt 42, 15; 42, 170).
Eine solche Verpflichtung des Vernehmenden, den Beschuldigten, der sich vor der Befragung mit einem Verteidiger beraten möchte, bei der Herstellung des Kontakts zu einem Verteidiger durch die Zurverfügungstellung allgemeiner Informationen zu unterstützen, ist jetzt in § 136 Abs. 1 S. 3 und 4 StPO ausdrücklich gesetzlich normiert worden. Danach sind dem Beschuldigten, wenn er vor seiner Vernehmung einen Verteidiger befragen möchte, Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihm erleichtern, einen Verteidiger zu kontaktieren; auf bestehende anwaltliche Notdienste ist er hinzuweisen (vgl. dazu auch Burhoff, EV, Rn 3141 ff.). Erforderlich ist nach der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks 18/9534, S. 22) das ernsthafte Bemühen, den Beschuldigten bei der Kontaktaufnahme etwa durch die Übergabe von Anwaltsverzeichnissen bzw. Strafverteidigerlisten oder insbesondere durch den Hinweis auf Verteidigernotdienste zu unterstützen. Da gerade der Hinweis auf solche Notdienste dem Beschuldigten besonders hilfreich sein kann, hat man eine entsprechende Hinweispflicht ausdrücklich gesetzlich normiert.
Hinweise:
- Werden diese Pflichten nicht erfüllt, können Beweisverwertungsverbote bestehen (vgl. Burhoff, EV, Rn 3141 ff. m.w.N.).
- Nach § 168b Abs. 3 S. 2 StPO ist die Entscheidung des Beschuldigten darüber, ob er einen Verteidiger befragen möchte, aktenkundig zu machen.
4. Polizeiliche Vernehmung des Beschuldigten
Das Verfahren bei der polizeilichen Vernehmung nach § 163a StPO des Beschuldigten hat zwei wesentliche Änderungen erfahren:
a) Informations- und Hinweispflichten
In § 163a Ab...