1. Dublin-Verfahren: Fehlender Ausspruch zu Abschiebungsverboten
Das BVerwG hebt in seinem Beschluss vom 3.4.2017 (1 C 9.16) hervor, dass nach dem durch das Integrationsgesetz vom 31.7.2016 (BGBl I 2016, S. 1939) geänderten § 31 Abs. 3 AsylG das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nunmehr auch bei allen unzulässigen Asylanträgen zu einer Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots gem. § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG verpflichtet sei. Hierbei sei davon auszugehen, dass sich die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 AsylG nicht auf den Herkunftsstaat des Asylbewerbers, sondern auf den Zielstaat (Zielland der Überstellung) beziehe (vgl. auch VGH München, Urt. v. 13.12.2016 – 20 B 15.30049, juris Rn 41; Hailbronner, Ausländerrecht, § 31 AsylG Rn 44a; Marx, AsylG, 9. Aufl. 2017, § 31 Rn 13).
Hinweis:
Allein die fehlende Feststellung nach § 31 Abs. 3 S. 1 AsylG zu den nationalen Abschiebungsverboten führt nicht zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids. Vielmehr hat das Tatsachengericht diese Prüfung – ggf. auch erstmals – selbst vorzunehmen.
2. Ermessen: Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG
Nach § 11 Abs. 2 AufenthG ist das mit einer Ausweisung verbundene Einreise- und Aufenthaltsverbot von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise und ist gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung festzusetzen. Über die Länge der Frist wird nach § 11 Abs. 3 AufenthG nach Ermessen entschieden (Satz 1). Die Frist darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht (Satz 2), und soll zehn Jahre nicht überschreiten (Satz 3).
Das BVerwG hebt in seinem Urteil vom 22.2.2017 (1 C 27.16) hervor, dass damit der Ausländer einen Anspruch auf eine Befristungsentscheidung zusammen mit der Ausweisungsverfügung ("ob") habe. Hinsichtlich der Länge der festzusetzenden Frist ("wie") bestimme § 11 Abs. 3 AufenthG in seiner aktuellen Fassung ausdrücklich, dass hierüber im Rahmen der gesetzlichen Vorgabe nach Ermessen zu entscheiden sei, dass die Frist nur unter bestimmten Voraussetzungen fünf Jahre überschreiten dürfe und zehn Jahre nicht überschreiten solle. Mit dieser durch das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung im Jahr 2015 eingeführten Regelung hat der Gesetzgeber auf die Rechtsprechung des BVerwG reagiert, wonach die Bemessung der Frist nach Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 nicht mehr im Ermessen der Ausländerbehörde stand, es sich vielmehr um eine gebundene Entscheidung handelte. Mit der Änderung in § 11 Abs. 3 S. 1 AufenthG wollte der Gesetzgeber den früheren Rechtszustand wiederherstellen, indem er den bisher offenen Wortlaut der Vorschrift konkretisiert und damit klargestellt hat, dass über die Dauer der Sperrfrist im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Behörden zu entscheiden ist (BT-Drucks 18/4097 S. 36).
3. Abschiebungsanordnung gegen radikal-islamistischen Gefährder
Die Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG ist gegenüber der Ausweisung nach §§ 53 ff. AufenthG eine selbstständige ausländerrechtliche Maßnahme der Gefahrenabwehr. Nach § 58 Abs. 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde gegen einen Ausländer aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen. Die Abschiebungsanordnung ist sofort vollziehbar; einer Abschiebungsandrohung bedarf es nicht.
Der Begriff der "Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland" ist – wie die wortgleiche Formulierung in §§ 54 Abs. 1 Nr. 2, 60 Abs. 8 S. 1 AufenthG – nach der Rechtsprechung des BVerwG enger zu verstehen als der Begriff der öffentlichen Sicherheit im Sinne des allgemeinen Polizeirechts. Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umfasst die innere und äußere Sicherheit und schützt nach innen den Bestand und die Funktionstüchtigkeit des Staates und seiner Einrichtungen. Das schließt den Schutz vor Einwirkungen durch Gewalt und Drohungen mit Gewalt auf die Wahrnehmung staatlicher Funktionen ein (BVerwGE 123, 114, 120).
Nach dem Beschluss des BVerwG vom 21.3.2017 (1 VR 2.17) liegt trotz einer gewissen definitorischen Unschärfe des Terrorismusbegriffs eine völkerrechtlich geächtete Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln jedenfalls dann vor, wenn politische Ziele unter Einsatz gemeingefährlicher Waffen oder durch Angriffe auf das Leben Unbeteiligter verfolgt werden (vgl. auch BVerwGE 141, 100 Rn 19 m.w.N.). Entsprechendes gelte bei der Verfolgung ideologischer Ziele. Eine terroristische Gefahr könne nicht nur von Organisationen, sondern auch von Einzelpersonen ausgehen, die nicht als Mitglieder oder Unterstützer in eine terroristische Organisation eingebunden seien oder in einer entsprechenden Beziehung zu einer solchen stünden (Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, § 58a AufenthG Rn 15). Erfasst seien grundsätzlich auch Zwischenstufen lose ve...