1. Beiordnung eines Notanwalts
Nach § 173 S. 1 VwGO i.V.m. § 78b ZPO ist einem Verfahrensbeteiligten auf dessen Antrag hin, soweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist (wie etwa gem. § 67 Abs. 4 VwGO), durch Beschluss für den Rechtszug ein Rechtsanwalt zur Wahrung seiner Rechte beizuordnen, wenn er einen zu seiner Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung ist weiter, dass der Verfahrensbeteiligte nicht mittellos ist (andernfalls wäre sein Antrag nach den Vorgaben des Prozesskostenhilferechts gem. § 166 Abs. 1 S. 1 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO zu behandeln).
Hinweis:
Zuständig für die Bescheidung eines Antrags auf Bestellung eines Notanwalts ist das Prozessgericht, das über den von dem Antragsteller verfolgten Rechtsbehelf zu entscheiden hat. Das ist z.B. bei einem angestrebten Zugang zur Revisionsinstanz das BVerwG (vgl. BVerwG Buchholz 303 § 78b ZPO Nr. 4 Rn 8; Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Bd. II, § 133 Rn 60 mit Verweis auf Rn 51).
In Anknüpfung an die allgemeine Ansicht in der überwiegend zivilrechtlichen Rechtsprechung und Literatur muss nach dem Beschluss des BVerwG vom 28.3.2017 (2 B 4.17) der Verfahrensbeteiligte substantiiert darlegen und glaubhaft machen, dass er sich erfolglos darum bemüht hat, einen Rechtsanwalt für die Prozessvertretung zu gewinnen (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 78b Rn 4; Weth, in: Musielak, ZPO, 7. Aufl. 2009, § 78b Rn 4, jeweils m.w.N.). Bei einer Nichtzulassungsbeschwerde müsse diese Substantiierung innerhalb der Einlegungsfrist erfolgen (Pietzner/Bier, a.a.O. Rn 60). Nach der Rechtsprechung des BGH muss der Betroffene substantiiert dartun, dass er sich zumindest an mehr als vier (beim BGH zugelassene) Rechtsanwälte gewandt hat, bei denen er erfolglos wegen einer Übernahme des Mandats angefragt hat, und dies ggf. nachweisen (vgl. BGH NJW-RR 2004, 864; FamRZ 2007, 635; MDR 2015, 540 Rn 3; NZS 2016, 759).
Weiter führt das BVerwG aus, mit dem Begriff der "Aussichtslosigkeit" stelle das Gesetz für die Beiordnung eines Notanwalts i.S.v. § 78b Abs. 1 ZPO einen – aus Sicht des Antragstellers – weniger strengen Maßstab auf, als im Rahmen der Gewährung von Prozesskostenhilfe mit dem Erfordernis der "hinreichenden Aussicht auf Erfolg" (§ 114 Abs. 1 S. 1 ZPO) verlangt werde. Dies finde seine Rechtfertigung darin, dass hier nicht die Staatskasse vor einer unnützen Inanspruchnahme wegen der Kosten einer Rechtsverfolgung oder -verteidigung geschützt werden müsse, die wenig Aussicht auf Erfolg habe. Aussichtslosigkeit i.S.v. § 78b Abs. 1 ZPO bestehe, wenn ein günstiges Ergebnis auch bei anwaltlicher Beratung ganz offenbar nicht erreicht werden könne.
2. Ordnungsgemäße Klageerhebung bei nicht bevollmächtigtem Familienangehörigen
Ist eine Klageschrift von einer anderen Person als dem Kläger handschriftlich unterschrieben worden, genügt sie nur dann dem Schriftlichkeitserfordernis des § 81 Abs. 1 S. 1 VwGO, wenn diese Person wirksam zur Prozessführung bevollmächtigt ist. Das setzt gem. § 67 Abs. 6 S. 1 VwGO grundsätzlich voraus, dass zum Zeitpunkt der Einreichung der unterschriebenen Klageschrift eine auf den Unterzeichner ausgestellte Vollmacht zur Gerichtsakte gereicht ist. Ist dies nicht der Fall, ist dem Schriftlichkeitserfordernis Genüge getan, wenn der Mangel der Vollmacht bei Einreichung der Klage nachträglich geheilt wird (vgl. § 67 Abs. 6 S. 2 Hs. 1 VwGO).
Der Mangel der Vollmacht bei Einreichung einer Klage oder Einlegung eines Rechtsmittels kann durch Genehmigung des Vertretenen, die auch in der Erteilung einer Prozessvollmacht liegen kann, mit rückwirkender Kraft geheilt werden, soweit noch nicht ein die Klage oder das Rechtsmittel als unzulässig verwerfendes Prozessurteil vorliegt (vgl. BVerwGE 69, 380, 381 f.; Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 40 S. 73, 75, jeweils m.w.N.).
Das BVerwG hebt in seinem Beschluss vom 2.1.2017 (5 B 8.16) hervor, dass bei der Auslegung und Anwendung prozessrechtlicher Vorschriften in Rechnung zu stellen sei, dass diese nicht Selbstzweck seien, sondern letztlich der Wahrung der materiellen Rechte der Prozessbeteiligten dienten. Sie sollten also der einwandfreien Durchführung des Rechtsstreits unter Wahrung der materiellen Rechte der Prozessbeteiligten dienen. Insofern verbiete sich auch mit Blick auf die "dienende" Funktion prozessualer Zulässigkeitsvoraussetzungen und das Verbot, an diese überspannte Anforderungen zu stellen, jedenfalls für den Regelfall die Annahme, der Kläger wolle die Klageerhebung nicht genehmigen.
Hinweis:
Nicht entscheidend ist insoweit, ob zum Zeitpunkt der Klageerhebung erkennbar war, dass bei dem Unterzeichner der Klageschrift die Voraussetzungen der Vertretungsbefugnis nach § 67 Abs. 2 S. 2 VwGO vorlagen. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Unterzeichner zu diesem Zeitpunkt bevollmächtigt war. Die Heilung tritt auch dann ein, wenn vorher überhaupt keine wirksame Bevollmächtigung vorgelegen hat (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 67 Rn 50; Czybulka, in: Sodan/Ziek...