Die Frage der unterhaltsrechtlichen Haftung für einen pflegebedürftigen Angehörigen kann sich auch beim Ehegattenunterhalt stellen. Pflegebedürftig wird ein Ehegatte, dessen eigene Einkünfte nicht ausreichen, die Heimkosten zu decken. Auch hier stellen die Heimkosten den unterhaltsrechtlichen Bedarf dar (BGH, Beschl. v. 27.4.2016 – XII ZB 485/14, NJW 2016, 2122 m. Anm. Reinken = FamRZ 2016, 1220 m. Anm. Maurer).
Hinweis:
Zum unterhaltsrechtlichen Bedarf eines getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten können auch die Kosten des betreuten Wohnens gehören (OLG Hamm, Beschl. v. 30.6. 2017 – 6 WF 105/17, FUR 2018, 98; Reinken jurisPR-FamR 25/2017 Anm. 5).
Es stellt sich die Frage, ob der Ehegatte, der Rente bezieht und noch in der Ehewohnung verblieben ist, auf Zahlung von Unterhalt in Anspruch genommen werden kann (BGH, Beschl. v. 27.4.2016 – XII ZB 485/14, NJW 2016, 2122 m. Anm. Reinken = FamRZ 2016, 1220 m. Anm. Maurer). Auch hier richtet sich – wie beim Elternunterhalt (s. oben 2. a) – der Bedarf nach den Heimkosten.
Problematisch ist allerdings die Anspruchsgrundlage. Ein Anspruch auf Trennungsunterhalt nach § 1361 Abs. 1 S. 1 BGB scheidet aus, da die Ehegatten trotz der getrennten Wohnung nicht im Rechtssinne getrennt leben. Denn die häusliche Gemeinschaft bezeichnet damit nur einen äußeren, freilich nicht notwendigen Teilaspekt dieser Gemeinschaft (BGHZ 149, 140). Eine eheliche Lebensgemeinschaft kann daher auch dann bestehen, wenn die Ehegatten einvernehmlich eigenständige Haushalte unterhalten.
Der Anspruch auf Familienunterhalt aus § 1360 BGB richtet sich aber regelmäßig nicht auf Zahlung einer für den Empfänger frei verfügbaren Geldrente, sondern ist als Anspruch auf Teilhabe an dieser Lebensgemeinschaft ausgestaltet und gerichtet. Hieraus ergibt sich daher regelmäßig keine Leistungsfähigkeit zur Zahlung von Unterhalt (BGH, Urt. v. 12.12.2012 – XII ZR 43/11, NJW 2013, 686 = FamRZ 2013, 363).
Wird ein Ehegatte allerdings stationär pflegebedürftig, so entsteht ihm ein besonderer persönlicher Bedarf, der vor allem durch die anfallenden Heim- und Pflegekosten bestimmt wird. In diesem Fall richtet sich der Familienunterhaltsanspruch ausnahmsweise auf Zahlung einer Geldrente (BGH, Beschl. v. 27.4.2016 – XII ZB 485/14, NJW 2016, 2122). Im Regelfall übersteigen allerdings die Pflegekosten das gesamte Familieneinkommen und würden bei unbeschränkter Unterhaltspflicht des anderen Ehegatten der übrigen Familie die Mittel entziehen, die diese für den eigenen Lebensbedarf benötigt. Würde man hier – wie sonst beim Familienunterhalt – auf eine Begrenzung durch die Leistungsfähigkeit des pflichtigen Ehegatten verzichten, blieben diesem keine Finanzmittel mehr für seinen eigenen Bedarf übrig. Der BGH stellt daher klar, dass in diesem Fall dem Unterhaltspflichtigen im Unterschied zum Fall des häuslichen Zusammenlebens auch beim Familienunterhalt der angemessene eigene Unterhalt als Selbstbehalt belassen werden muss.
Hinweis:
Der BGH betont hier zusätzlich den Halbteilungsgrundsatz zum Schutz des Unterhaltspflichtigen. Die Begrenzung des Anspruchs durch den Halbteilungsgrundsatz wirkt sich bei höheren Einkünften aus.
Berechnungsbeispiele:
Einkommen Ehegatte |
3.000,00 EUR |
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abzgl. angemessener Selbstbehalt |
- 1.200,00 EUR |
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Leistungsfähigkeit für Heimkosten |
1.800,00 EUR |
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Grenze Halbteilung |
1.500,00 EUR |
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reduzierter Anspruch |
1.500,00 EUR |
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Einkommen Ehegatte |
4.000,00 EUR |
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abzgl. angemessener Selbstbehalt |
- 1.200,00 EUR |
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Leistungsfähigkeit für Heimkosten |
2.800,00 EUR |
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Grenze Halbteilung |
2.000,00 EUR |
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reduzierter Anspruch |
2.000,00 EUR |
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Wird dem Unterhaltspflichtigen lediglich sein Selbstbehalt belassen, muss er deutlich mehr als die Hälfte seines Einkommens als Unterhalt abführen. Der Halbteilungsgrundsatz schützt ihn vor zu hoher Belastung. Er muss lediglich die Hälfte seines anrechenbaren Einkommens als Elternunterhalt zahlen.