Lebt der unterhaltsbedürftige Elternteil im Pflegeheim, ist eine konkrete Bedarfsbestimmung vorzunehmen und als deren Grundlage die Notwendigkeit der Heimunterbringung darzulegen. Die Notwendigkeit der Unterbringung in einem Heim ist immer dann gegeben, wenn dem alten Menschen die Selbstversorgung in einer eigenen Wohnung nicht mehr möglich ist (OLG Oldenburg FamRZ 2010, 991). Diese Notwendigkeit wird durch Zuerkennung eines entsprechenden Pflegegrads indiziert (Hauß FamRZ 2013, 206, 207).
Der Unterhaltsbedarf des Elternteils bestimmt sich in diesem Fall ganz konkret durch seine Unterbringung im Heim und deckt sich mit den dort im Einzelfall anfallenden notwendigen Kosten. Der Bedarf wird i.d.R. mit den Heimunterbringungskosten identisch sein, so dass es zunächst reicht, die Heimkosten aufzuschlüsseln und genau zu beziffern (BGH, Urt. v. 23.10.2002 – XII ZR 266/99, NJW 2003, 128).
Oft besteht über die Angemessenheit der Heimkosten Streit zwischen dem auf Zahlung in Anspruch genommen Kind und dem Sozialhilfeträger, der den übergeleiteten Unterhaltsanspruch durchsetzen will. Aus der sozialhilferechtlichen Anerkennung der jeweiligen Kosten folgt noch nicht zwingend auch deren unterhaltsrechtliche Notwendigkeit. Sozialrechtlich und unterhaltsrechtlich anzuerkennende Kosten können vielmehr voneinander abweichen (BGH, Urt. v. 21.11.2012 – XII ZR 150/10, NJW 2013, 301 = FamRZ 2013, 203 m. Anm. Hauß).
Ein höherer an der früher besseren Lebensstellung des Elternteils orientierter Standard ist jedoch grundsätzlich nicht mehr angemessen i.S.v. § 1610 Abs. 1 BGB, die Angemessenheit richtet sich nach der konkreten (aktuellen) Lebenssituation (s. oben unter 1.). Der Unterhaltsbedarf eines im Pflegeheim untergebrachten Elternteils richtet sich nach den notwendigen Heimkosten zzgl. eines Barbetrags für die Bedürfnisse des täglichen Lebens und beschränkt sich damit beim Elternteil, der sozialhilfebedürftig geworden ist, auf das Existenzminimum und damit auf eine – dem Unterhaltsberechtigten zumutbare – einfache und kostengünstige Heimunterbringung (BGH, Urt. v. 21.11.2012 – XII ZR 150/10, NJW 2013, 301 = FamRZ 2013, 203 m. Anm. Hauß; BGH, Urt. v. 19.2.2003 – XII ZR 67/00, FamRZ 2003, 860).
Will der Unterhaltspflichtige die tatsächlich anfallenden Kosten nicht akzeptieren, muss er seinerseits substantiiert die Notwendigkeit der Heimkosten bestreiten (BGH, Urt. v. 21.11.2012 – XII ZR 150/10, NJW 2013, 301 = FamRZ 2013, 203; Urt. v. 23.10.2002 – XII ZR 266/09, NJW 2003, 128 = FamRZ 2002, 1698). Geschieht dies, trägt der Unterhaltsberechtigte die Beweislast, beim sozialhilferechtlichen Anspruchsübergang also der Sozialhilfeträger (BGH, Urt. v. 27.11.2002 – XII ZR 295/00, FamRZ 2003, 444).
Hinweise:
Ausnahmsweise muss der Unterhaltspflichtige auch höhere Kosten der Heimunterbringung übernehmen, wenn dem Elternteil nicht zugemutet werden kann, ein preisgünstigeres Heim zu nutzen, z.B. wenn Eltern ihre Heimunterbringung zunächst noch selbst finanzieren konnten, erst später dazu nicht mehr in der Lage sind und ihnen der Umzug in ein anderes kostengünstigeres Heim nicht zugemutet werden kann.
Der Unterhaltsbedarf eines im Pflegeheim lebenden Elternteils mit Hörbehinderung erstreckt sich auch auf den durch die Unterbringung in einer Gehörlosenwohngruppe bedingten Mehrbedarf. Der gehörlosen Hilfeempfängerin ist eine barrierefreie, aktivierende Pflege zuzugestehen, die der Gefahr ihrer Vereinsamung entgegenwirkt und insbesondere auch ihre Bedürfnisse nach Kommunikation berücksichtigt (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.6.2017 – II-1 UF 34/17, FamRZ 2018, 103).
Wenn das unterhaltspflichtige Kind selbst die Auswahl des Heims beeinflusst hat, kann es ebenfalls nicht auf die Möglichkeit einer kostengünstigeren Unterbringung verweisen (Verbot widersprüchlichen Verhaltens; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.6.2017 – II-1 UF 34/17, FamRZ 2018, 103). Hat sich das unterhaltspflichtige Kind nicht an der Suche nach einem Heimplatz beteiligt, begründet allein dieser Umstand nicht die Verpflichtung, überhöhte Kosten zu tragen.