Der Unterhaltsbedarf von Eltern im Ruhestand umfasst den gesamten Lebensbedarf, wie z.B. die Miete für die Wohnung, Ernährung, Bekleidung, Beiträge für die Krankenkasse und Pflegeversicherung (BGH, Urt. v. 19.2.2003 – XII ZR 67/00, FamRZ 2003, 860) und ist i.d.R. im Unterhaltsprozess konkret entsprechend den individuellen Verhältnissen vorzutragen.
1. Maßstab für den Bedarf
Das Maß des geschuldeten Unterhalts bestimmt sich gem. § 1610 BGB nach der eigenen Lebensstellung des Elternteils. Der – eigenständige – Bedarf eines unterhaltsberechtigten Elternteils beurteilt sich folglich in erster Linie nach den persönlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen des betreffenden Elternteils (BGH, Urt. v. 19.2.2003 – XII ZR 67/00, FamRZ 2003, 860, 861 = NJW 2003, 1660).
Hinweis:
Dadurch unterscheidet sich der Elternunterhalt deutlich von anderen Unterhaltsverhältnissen. Der Bedarf des minderjährigen und auch des volljährigen noch in der Berufsausbildung befindlichen Kindes leitet sich von der Lebensstellung des Unterhaltspflichtigen ab. Auch beim Ehegattenunterhalt wird der Bedarf entscheidend von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des anderen Ehegatten, also des Unterhaltspflichtigen bestimmt.
Grundsätzlich führen nachteilige Einkommensveränderungen auch zu einer Änderung der Lebensstellung, die gem. § 1610 BGB den Unterhaltsbedarf prägt. Folglich scheidet ein Anspruch auf Unterhalt entsprechend einer früheren Lebensstellung aus. Durch den Eintritt in den Ruhestand werden aber regelmäßig nachteilige Veränderungen der Einkommensverhältnisse ausgelöst, die auch eine Änderung der Lebensstellung des Elternteils zur Folge haben. Dessen Lebensstellung bestimmt sich daher nicht nach dem eigenen Einkommen in „besseren Zeiten“, als er noch erwerbstätig war, sondern nach den aktuell gegebenen tatsächlichen Verhältnissen. Dies gilt auch dann, wenn die Einkommensverschlechterung durch den Tod eines Ehegatten bedingt ist (BGH FamRZ 2006, 935).
Daher können Eltern von ihren Kindern keinen Unterhalt mehr nach einer früheren – besseren – Lebensstellung verlangen. Ist der Elternteil im Alter sozialhilfebedürftig geworden, beschränkt sich sein angemessener Lebensbedarf i.d.R. auf das Existenzminimum (BGH, Urt. v. 21.11.2012 – XII ZR 150/10, NJW 2013, 301 = FamRZ 2013, 203 m. Anm. Hauß; BGH, Urt. v. 19.2.2003 – XII ZR 67/00, FamRZ 2003, 860). Dieses Existenzminimum des nicht erwerbstätigen Unterhaltsberechtigten von 880 EUR (Wert der Düsseldorfer Tabelle 2018) bildet jedoch auch beim Elternunterhalt die Untergrenze des Bedarfs (BGH FamRZ 2003, 860, 861).
Praxishinweis:
Der Bedarf kann bei bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen ohne Auflistung einzelner Bedarfspositionen zur Vereinfachung auch nur mit dem am sozialhilferechtlichen Existenzminimum orientierten notwendigen Eigenbedarfssatz, wie er nach den Leitlinien der Oberlandesgerichte (Nr. 21.4, Stand 1.1.2018) dem nicht erwerbstätigen unterhaltsberechtigten Ehegatten zustehen soll, angegeben werden. Die Kosten für Unterkunft, einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete), sind i.H.v. 380 EUR (21.2 Leitlinien der OLG, Stand 1.1.2018) in diesem Betrag enthalten.
Es gibt jedoch auch Lebenssituationen, in denen sich bestimmte Faktoren bedarfserhöhend auf den Unterhalt auswirken, z.B. wenn der unterhaltberechtigte Elternteil in einem Pflegeheim lebt (s. hierzu 2.) oder noch Kosten für Kranken- und Pflegeversicherung anfallen (s. unten 4.). Diese Positionen finden in den Eigenbedarfssätzen nach den Leitlinien der Oberlandesgerichte keine Berücksichtigung und müssen gesondert geprüft werden.
2. Bedarfserhöhung bei Pflegebedürftigkeit (Heimkosten)
Eine Heimunterbringung wirkt sich regelmäßig bedarfserhöhend aus, denn die damit verbundenen Heim- und Pflegekosten gehören zum Lebensbedarf i.S.d. § 1610 BGB (BGH FamRZ 2004, 1370).
a) Heimkosten
Lebt der unterhaltsbedürftige Elternteil im Pflegeheim, ist eine konkrete Bedarfsbestimmung vorzunehmen und als deren Grundlage die Notwendigkeit der Heimunterbringung darzulegen. Die Notwendigkeit der Unterbringung in einem Heim ist immer dann gegeben, wenn dem alten Menschen die Selbstversorgung in einer eigenen Wohnung nicht mehr möglich ist (OLG Oldenburg FamRZ 2010, 991). Diese Notwendigkeit wird durch Zuerkennung eines entsprechenden Pflegegrads indiziert (Hauß FamRZ 2013, 206, 207).
Der Unterhaltsbedarf des Elternteils bestimmt sich in diesem Fall ganz konkret durch seine Unterbringung im Heim und deckt sich mit den dort im Einzelfall anfallenden notwendigen Kosten. Der Bedarf wird i.d.R. mit den Heimunterbringungskosten identisch sein, so dass es zunächst reicht, die Heimkosten aufzuschlüsseln und genau zu beziffern (BGH, Urt. v. 23.10.2002 – XII ZR 266/99, NJW 2003, 128).
Oft besteht über die Angemessenheit der Heimkosten Streit zwischen dem auf Zahlung in Anspruch genommen Kind und dem Sozialhilfeträger, der den übergeleiteten Unterhaltsanspruch durchsetzen will. Aus der sozialhilferechtlichen Anerkennung der jeweiligen Kosten folgt noch nicht zwingend auch deren unterhaltsrechtliche Notwendigkeit. Sozialrechtlich u...