1. Projektarbeit von Schülern im privaten Bereich

Schülerinnen und Schüler stehen nach § 2 Abs. 1 Nr. 8b SGB VII während des Besuchs allgemeinbildender Schulen unter gesetzlichem Unfallversicherungsschutz, der nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch den Weg zur Schule und von der Schule zurück nach Hause einschließt. Nach ständiger BSG-Rechtsprechung ist der Versicherungsschutz auf den organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule begrenzt. Dieser erfordert regelmäßig einen unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang zum Schulbesuch, der dann nicht mehr vorliegt, wenn schulische Aufsichtsmaßnahmen nicht mehr gewährleistet sind. Versicherungsschutz kann aber auch bestehen, wenn der räumlich-zeitliche Zusammenhang (etwa bei Klassenfahrten, Museums- und Theaterbesuchen ggf. außerhalb der Unterrichtszeit) oder wirksame schulische Aufsichtsmaßnahmen (z.B. bei Schülerbetriebspraktika im In- und Ausland) weitgehend gelockert sind. Demnach kann auch ein außerschulischer Lernort "Ort der Tätigkeit" und damit zugleich Start- und Zielpunkt eines nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII versicherten Weges sein. Der Schutzbereich endet – jedenfalls bei Minderjährigen – dort, wo der elterliche Verantwortungsbereich beginnt, also dann, wenn Schüler ihre Hausaufgaben zu Hause erledigen.

In dem vom BSG zu entscheidenden Fall, der im Grenzbereich von schulischem und elterlichem Verantwortungsbereich angesiedelt ist, hatte der Kläger als Schüler einer Realschule im Rahmen des Musikunterrichts (nach dem erteilten Unterricht über die hierzu benötigten theoretischen Grundlagen) die Aufgabe, in Kleingruppen Werbeclips herzustellen. Die Schüler erhielten von der Lehrerin die Möglichkeit, den Werbeclip auch außerhalb des Schulunterrichts im privaten Bereich zu drehen. Vorgegeben war der Abgabetermin, nicht aber Drehzeit und Drehort. Von dieser Möglichkeit machte ein Teil der Schüler Gebrauch. Am Unfalltag traf sich der Kläger mit drei Mitschülern zu Hause bei einem Mitschüler, um den Werbeclip zu drehen, in dem er mehrere Szenen spielen sollte. Bei den Dreharbeiten kam es zu einer Rangelei zwischen dem Kläger und einem Mitschüler. Hierbei stolperte der Kläger, fiel auf den Rücken und wurde schwer verletzt. Er ist mittlerweile rollstuhlpflichtig und wird in einer Internatsschule für körperbehinderte Menschen beschult.

Das BSG hat (Urt. v. 23.1.2018 – B 2 U 8/16 R; Westermann jurisPR-SozR 14/2018, Anm. 5; Pfriender JM 2018, 1327) das Berufungsurteil, das Versicherungsschutz bejahte, bestätigt und die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Es handele sich, so das BSG, nicht um eine unversicherte "Hausaufgabe", wenn Lehrpersonen aus organisatorischen oder pädagogischen Gründen eine Gruppe von Schülern für ein gemeinsames Tun zusammenstellen, das sich außerhalb der Schule selbstorganisiert fortsetzt. Dies gilt auch, wenn diese Gruppenarbeit, wie hier, gemeinsam im häuslichen Bereich eines Mitschülers verrichtet wird. Realisiert sich bei der schulisch initiierten (Projekt-)Arbeit in einer durch die Schule gebildeten Gruppe eine gruppentypische Gefahr, so besteht für alle Gruppenmitglieder Unfallversicherungsschutz mit gleichzeitiger Haftungsbeschränkung nach § 106 Abs. 1 SGB VII. Der erforderliche zeitlich-räumliche Schulbezug besteht hier darin, dass die Schule aus der Menge aller Schüler (einer Klasse) eine Gruppe bildet und ihr bestimmte Aufgaben zuweist, die die Schüler als Teil dieser Gruppe gemeinsam lösen sollen. Während dieser Tätigkeit findet für jedes Mitglied "Schule" (und damit ein "Schulbesuch") ausnahmsweise an dem Ort und zu dem Zeitpunkt statt, an dem sich die Gruppe innerhalb oder außerhalb des Schulgebäudes zur Durchführung der Projektarbeit trifft.

2. Prüfung der Fahrbahn auf Glätte vor Fahrtantritt

Vom Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung sind nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch Arbeitsunfälle beim Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der versicherten Tätigkeit umfasst. Dabei ist nicht der Weg als solcher versichert, sondern dessen Zurücklegen, also der Vorgang des Sichfortbewegens auf einer Strecke, die durch einen Ausgangs- und einen Zielpunkt begrenzt ist. Grundsätzlich nicht versichert sind Unterbrechungen des unmittelbaren Wegs zur Erledigung von in eigenwirtschaftlichem Interesse stehenden Verrichtungen (s. hierzu bereits Sartorius ZAP F. 18, S. 1591, 1602 ff. m.w.N.).

Der Kläger verließ in dem vom BSG zu entscheidenden Fall am Unfalltag, dem 11.3.2013, sein Wohnhaus und ging zu seinem auf dem Grundstück abgestellten Pkw, um mit dem Fahrzeug zu seiner Arbeitsstätte zu fahren (BSG, Urt. v. 23.1.2018 – B 2 U 23/16 R, NJW 2018, 2149; hierzu Schlaeger jurisPR-SozR 11/2018 Anm. 6 und krit. Schneider WzS 2018, 191). Er legte seine Arbeitstasche in den Wagen, verließ anschließend das Grundstück zu Fuß und ging wenige Meter auf der öffentlichen Straße, um zu überprüfen, ob diese glatt sei. Der Deutsche Wetterdienst hatte am Vortag für den Bereich des Wohnorts des Klägers die Warnung herausgegeben, dass in der kommenden Nacht mit Glätte d...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?