1. GdB: Feststellung/Rechtsschutzbedürfnis
Die Klägerin beantragte im Klageverfahren, die Feststellung eines Grads der Behinderung (GdB) mit "mindestens 20" festzustellen und führte hierzu aus, die bei ihr bestehenden und im Einzelnen von ihr angegebenen Behinderungen einschließlich der hiermit einhergehenden erheblichen Schmerzen rechtfertigten einen GdB von 30. Im Verfahren gab der Beklagte ein Teilanerkenntnis über einen GdB von 20 ab, welches die Klägerin nicht annahm. Das SG wies die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses ab. Die Berufung war erfolgreich im Sinne einer Aufhebung und Zurückverweisung an das SG. Dieses habe, so das LSG, zu Unrecht keine Sachentscheidung getroffen. Die Klägerin habe ersichtlich von Anfang an mit ihrer auf Feststellung eines GdB von "mindestens 20" gerichteten Klage einen GdB von 30 erreichen wollen. Die Revision des Beklagten blieb erfolglos (BSG, Urt. v. 14.6.2018 – B 9 SB 2/16 R). Der konkrete Antrag der Klägerin umfasst, so das Gericht, auch die Feststellung eines GdB von 30. Unter Berücksichtigung der Ausführungen in der Klagebegründung war das Begehren auf eine Feststellung eines GdB von 30 gerichtet. Diese tatsächliche Zielrichtung ist nach dem Teilanerkenntnis des Beklagten unverändert geblieben, da die Klägerin die Klage aufrechterhalten hat.
Die Revision hatte zur Stützung ihrer Ansicht auf eine frühere Entscheidung (BSG, Urt. v. 9.8.1995 – 9 RVs 7/94) abgehoben, die bei einem auf einen Mindest-GdB gerichteten Antrag das Fehlen eines weiteren Begehrens annimmt. Diese Entscheidung hat jedoch, wie das BSG nunmehr klarstellend ausführt, für die Auslegung von Anträgen im Schwerbehindertenverfahren nur insofern Bedeutung, als es ausschließlich um die Beurteilung eines Klageantrags mit einem Mindest-GdB-Wert geht, bei dem sich aber aus den weiteren Umständen des Falls, insbesondere der Klagebegründung, kein höheres Klagebegehren erkennen lässt.
Hinweis:
Die Entscheidung belegt, dass allein durch einen bloßen auf einen Mindest-GdB gerichteten Klageantrag kein Klagebegehren hinsichtlich eines höheren GdB erfolgt, wenn sich nicht insofern deutliche Hinweise ergeben. Einzelheiten zur Feststellung der Behinderung, die nur auf Antrag erfolgt, finden sich seit 1.1.2018 in § 152 SGB IX. Der GdB stellt die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft fest, er erfolgt abgestuft nach Zehnergraden ab einem GdB von wenigstens 20, § 152 Abs. 1 S. 5, 6 SGB IX. Ab einem GdB von 30 – und einem GdB von weniger als 50 – kommt ein Anspruch auf Gleichstellung nach § 2 Abs. 3 SGB IX in Betracht, über den auf Antrag die Bundesagentur für Arbeit entscheidet, § 151 Abs. 2 S. 1 SGB IX. Die Gleichstellung führt dazu, dass den Betroffenen mit Ausnahme des Rechts auf Zusatzurlaub (§ 208 SGB IX) und dem Anspruch auf unentgeltliche Beförderung (§§ 228 ff. SGB IX) die gleichen Rechte und Ansprüche wie schwerbehinderten Menschen zukommen (zur neueren Rechtsprechung des BSG zur Gleichstellung s. Sartorius/Pattar ZAP F. 18, S. 1409 ff., 1421 ff. m.w.N.). Ab einem GdB von 30 besteht auch – nach weiterer Maßgabe von § 33b Abs. 2 EStG – ein Vorteil bei der Einkommensteuer in Form eines Pauschbetrags, § 33b Abs. 3 S. 2 EStG.
2. Blindheit bei cerebralen Schäden ohne spezifische Störung des Sehvermögens
Das BSG setzt seine Rechtsprechung (BSG v. 11.8.2015 – B 9 BL 1/14 R; Dau jurisPR-SozR 10/2016 Anm. 5) zum Bestehen von Blindheit bei cerebralen Schäden, ohne dass eine spezifische Störung des Sehvermögens vorliegt, fort (BSG, Urt. v. 14.6.2018 – B 9 BL 1/17 R). Im vorliegenden Fall hatte das Berufungsgericht der Klage auf Blindengeld bei einer an einer schweren Alzheimer-Demenz leidenden Klägerin stattgegeben, obwohl keinerlei Anhaltspunkte dafür bestanden, dass für die fehlende Wahrnehmung von optischen Reizen eine spezielle Schädigung der Sehstrukturen ursächlich war. Es hat sich hierbei auf das BSG-Urteil aus 2015 (a.a.O.) gestützt.
Die Revision des beklagten Landes war im Sinne der Zurückverweisung begründet. Zwar hält das Gericht an seiner Rechtsprechung fest, wonach auch bei cerebralen Störungen Blindheit anzunehmen ist, wenn die Betroffenen nicht sehen. Es kommt dabei nicht (mehr) darauf an, ob die konkrete Ursache der Blindheit im Einzelfall nachvollzogen werden kann oder eine spezifische Sehstörung nachweisbar ist. Bei Blindheit wird Blindengeld zum Ausgleich blindheitsbedingter Mehraufwendungen als Pauschalleistung erbracht. Kann ein blindheitsbedingter Aufwand aufgrund der Eigenart des Krankheitsbildes aber gar nicht erst entstehen, wird der Zweck des Blindengelds verfehlt. In diesen besonderen Fällen darf der zuständigen Behörde der anspruchsvernichtende Einwand der Zweckverfehlung nicht verwehrt werden, wenn bestimmte Krankheitsbilder blindheitsbedingte Aufwendungen von vornherein ausschließen, weil der Mangel an Sehvermögen krankheitsbedingt durch keinerlei Maßnahmen (auch nicht anteilig) ausgleichbar ist. Solches kann etwa bei generalisierten cerebralen Leiden zutreffen, die z.B. mit dauernder Bewusstlosigkeit oder Koma einhergehen. Ob ein solches Krankheitsbild im konkreten Einzelfall tats...