Der Deutsche Anwaltverein (DAV) hat sich mit den Auswirkungen der jüngsten Insolvenz im Reisemarkt (Thomas Cook) auf deutsche Touristen befasst und ist der Auffassung, dass eine der Ursachen dieser Pleite im fehlenden Überschuldungsbegriff des britischen Insolvenzrechts zu suchen ist.
Die Insolvenz des Thomas-Cook-Konzerns, so der DAV, treffe Hundertausende von Touristen, sie gefährde aber auch zahlreiche Arbeitsplätze in Deutschland. Der Umfang und die hohe Zahl der Geschädigten resultierten vor allem aus der Tatsache, dass das britische Recht den Insolvenzauslösetatbestand der Überschuldung nicht kenne. Aber auch in Deutschland sieht der Verein ein ähnliches Problem: Die Überschuldung als Tatbestand für die Insolvenzauslösung könne nach der InsO ausgesetzt werden, wenn die Fortführung "überwiegend wahrscheinlich" sei. De facto maßgeblich für eine Insolvenz sei daher aktuell nur die Zahlungsunfähigkeit.
Der DAV kritisiert, dass überschuldete Unternehmen dann, wenn sie für sich die Wahrscheinlichkeit sehen, künftig wieder die Liquidität zu erreichen, weiterarbeiten und damit auch weiterhin operative Verluste produzieren. Dabei nutzten sie zur Schöpfung von Liquidität unterschiedliche Quellen: etwa Anleihen und Schuld-scheine, aber auch die Anzahlungen auf in der Zukunft liegende Leistungen wie etwa Reisen. Für den Verbraucher bedeute seine Vorleistung oft unbewusst die Vergabe eines ungesicherten Kredits an ein nur eingeschränkt kreditwürdiges Unternehmen. So habe auch Thomas Cook über längere Zeit seine Liquidität erhalten.
Der DAV fordert daher, statt wie jetzt bei der Thomas-Cook-Tochtergesellschaft Condor immer wieder das Einspringen des Staats zu fordern, vielmehr die Unternehmen zu verpflichten, die Vorauszahlungen der Touristen auf einem gesonderten Treuhandkonto zu separieren. Auch solle der alte Überschuldungsbegriff des § 19 InsO wieder eingeführt werden. Leider sei dieser im Zusammenhang mit der Lehman-Krise "nachhaltig entschärft" worden. Er habe vorgeschrieben, dass ein Unternehmen Insolvenzantrag stellen musste, wenn das Eigenkapital die Verbindlichkeiten nicht mehr deckte. Ein dauerhaftes Weiterwirtschaften mit Verlusten sei damit bei gesetzeskonformem Verhalten ausgeschlossen gewesen. Jetzt dagegen trage der Verbraucher das Risiko einer fehlerhaften Prognose zur zukünftigen Liquidität des Unternehmens. "Ein Gesetz für die Pflicht zur Insolvenzantragstellung bei Überschuldung wäre gelebter Verbraucherschutz", so das Resümee des Vereins.
[Quelle: DAV]