Die Arbeitsgemeinschaft Anwältinnen im DAV hat schon vor sieben Jahren eine Broschüre unter dem Titel: "Anwältin und Mutter – klar geht das" herausgebracht. Darin hat sie das Ergebnis ihrer Umfrage unter Rechtsanwältinnen dokumentiert, ob und wie Kinder und Anwaltstätigkeit in Einklang zu bringen sind. Das Ergebnis war: Klar geht das – aber: Einfach ist es nicht. Denn Anwältinnen wollen erfolgreich sein und Karriere machen, ohne dabei auf Kinder bzw. Familie zu verzichten. Der damalige Befund: Die dafür notwendigen Rahmenbedingungen sind noch nicht ausreichend vorhanden. Anwältinnen erzielen immer noch weniger Einkünfte als Anwälte, sie sind als Partnerinnen vor allem in Großkanzleien unterrepräsentiert, attraktive Teilzeitangebote sind nur unzureichend vorhanden und die Kinderbetreuung wird noch nicht hinreichend als gemeinsame Aufgabe aufgefasst.
Nun scheint es, dass die Anwältinnen sich den Titel "Anwältin und Mutter – klar geht das" zu Herzen genommen haben. Sie bescheren dem Anwaltsberuf regen Zulauf. Die Anzahl der neu zugelassenen Anwältinnen ist mit 52 % erstmals höher als die der männlichen Kollegen.
Woran liegt das? Sollten sich tatsächlich die Rahmenbedingungen geändert haben?
Die Zahlen der zugelassenen Anwälte – bei Außerachtlassung der Syndikusanwaltschaft – gehen zurück. Kanzleien müssen zunehmend der Tatsache entsprechen, dass nicht nur Frauen auf eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie Wert legen, sondern auch jüngere männliche Berufsträger die "Work-Life-Balance" im Fokus haben.
Teilzeittätigkeit ist aber immer noch weiblich. Laut neuester Soldan-Studie, vorgestellt auf dem Anwaltstag in Leipzig im Mai 2019 von Prof. Dr. Matthias Kilian, Direktor des Soldan Instituts, arbeiten 42 % der Rechtsanwältinnen in Teilzeit, hingegen nur 16 % der Rechtsanwälte. Bemerkenswert ist jedoch der Grund für die Teilzeit: Bei Frauen ist es der Wunsch nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf, bei Männern die Ausübung eines weiteren Zweitberufs. Bemerkenswert ist auch ein weiteres Ergebnis der Soldan Studie: Werden Männer Väter, arbeiten sie zu 95 % weiterhin in Vollzeit, werden Frauen Mütter, arbeiten sie nur noch zu 58 % Vollzeit.
Frauen haben andere Tätigkeitsschwerpunkte als Männer: Sie sind im Familienrecht, im Sozialrecht sowie Medizinrecht tätig. Dort liegt ihr Anteil über dem Anteil an den Zulassungen. Auch das Arbeitsrecht ist ein großes, weiblich besetztes Feld. Dagegen sind sie in den lukrativen Gebieten des Gesellschafts- sowie im Handels- und Wirtschaftsrecht viel weniger vertreten.
Anwältinnen verdienen deutlich weniger. Auch unter bereinigten Bedingungen stellt Kilian einen deutlichen Gender Pay Gap fest: Während Männer durchschnittlich 31,32 EUR verdienen, sind es bei den Frauen nur 22,25 EUR. Das durchschnittliche jährliche Bruttoeinkommen in Teilzeit tätiger Rechtsanwälte beläuft sich laut STAR Report 2018 bei den angestellten Rechtsanwälten auf 29.000 EUR, dass der in Teilzeit tätigen Syndikusrechtsanwälte auf 49.000 EUR.
Da ist es nicht verwunderlich, dass die Syndikusanwaltschaft einen Zustrom der Anwältinnen erfahren hat. Entsprechend liegt dort der Anteil der Anwältinnen bei 54,7 %. Doch die Soldan Studie sieht noch einen anderen Grund für die überproportionale Zunahme der Syndikusanwaltschaft: Frauen seien eher als Männer daran interessiert, in einem Angestelltenverhältnis zu arbeiten.
Nach wie vor ist die Anwaltschaft jedoch unternehmerisch geprägt. Lediglich 20 % der Anwaltschaft ist angestellt. Nur beim Berufseinstieg ist das anders. Da ist die Mehrheit (72 %) angestellt. Diese Tätigkeit verlagert sich aber sehr schnell in Richtung unternehmerische Berufsausübung, so Kilian.
Und diese sieht bei Anwältinnen anders aus als bei Anwälten. Laut Soldan Studie sind 68 % der Frauen und 86 % der Männer Miteigentümer in den Kanzleien, in denen sie tätig sind. Viele der Frauen sind aber in sehr kleinen Einheiten, in Einzelkanzleien oder Bürogemeinschaften tätig.
Das ist nicht verwunderlich. Nach wie vor ist der Beruf männlich dominiert. Der Anteil der Anwältinnen an der Gesamtanwaltschaft liegt derzeit bei 35,13 %. Bei Beginn der Statistik der BRAK 1970 lag er bei 4,52 %. Dementsprechend sind Anwältinnen im Schnitt zwangsläufig jünger, da sie erst in den letzten beiden Jahrzehnten in größerer Anzahl ihre Zulassung erhielten. Und demzufolge haben überwiegend Männer nahezu alle Machtpositionen in Sozietäten inne. Und diese Männer sind traditionell geprägt. Auch wenn sie wissen, dass die Geschlechterrollen sich geändert haben, wirken ihre Geschlechterstereotypen nach. Bei der Einstellung verfahren sie allzu oft nach dem Ähnlichkeitsprinzip. Frauen erscheinen da häufig noch als die "Anderen", mit denen man nicht ein gemeinsames Vorverständnis – und sei es nur im Hinblick auf Fußball – teilt, wie Ulrike Schulz in ihrem Aufsatz "Haben Frauen in der Anwaltschaft schlechte Karten?" in den BRAK Mitteilungen 5/2018 konstatiert. Der Arbeitsmodus dieser männlich geprägten Kanzleien sieht lange, ungeregelte und zum...