1. Sperrzeit bei Arbeitsablehnung; Vorrausetzungen des Eintritts einer zweiten oder dritten Sperrzeit
Nach § 159 Abs. 1 S. 1, 2 Nr. 2 SGB III ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld, wenn Arbeitsuchende oder Arbeitslose ohne wichtigen Grund trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine von der Agentur für Arbeit angebotene Beschäftigung nicht annehmen oder nicht antreten oder die Anbahnung eines Beschäftigungsverhältnisses vereiteln (Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung). Dieselbe Rechtsfolge tritt ein, wenn eine Maßnahme zur Aktivierung oder beruflichen Eingliederung, eine Maßnahme zur beruflichen Ausbildung oder Weiterbildung oder eine Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben abgelehnt wird (Sperrzeit wegen Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme). Die Sperrzeit dauert beim ersten Verstoß drei Wochen, beim zweiten Verstoß sechs Wochen und beim dritten Verstoß zwölf Wochen (§ 159 Abs. 4 S. 1 SGB III). Während dieser Zeit wird kein Arbeitslosengeld gezahlt. Außerdem wird die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld um die Tage der Sperrzeit gekürzt (§ 148 Abs. 1 Nr. 3 SGB III). Der Anspruch auf Arbeitslosengeld erlischt ganz, wenn die Sperrzeiten mindestens 21 Wochen betragen (§ 161 Abs. 1 Nr. 2 SGB III).
Das BSG hatte am 27.6.2019 in zwei Entscheidungen über die Voraussetzungen einer zweiten und dritten Sperrzeit zu befinden.
Im ersten Verfahren (Urt. v. 27.6.2019 – B 11 AL 14/18 R) bezog der Kläger Arbeitslosengeld. Die Agentur für Arbeit übersandte ihm zwischen Mai und Juli 2013 drei Vermittlungsvorschläge mit der Aufforderung, sich umgehend zu bewerben. Der Kläger bewarb sich nicht. Hierfür gab er unterschiedliche Gründe an. Die Arbeitsangebote enthielten gleichlautende Rechtsfolgenbelehrungen, in denen darauf hingewiesen wurde, dass eine Sperrzeit eintrete, wenn die Annahme einer angebotenen Beschäftigung ohne wichtigen Grund abgelehnt werde. Die Dauer der Sperrzeit wurde mit längstens zwölf Wochen, bei erstmaligem versicherungswidrigem Verhalten mit drei Wochen und beim zweiten versicherungswidrigen Verhalten mit 6 Wochen angegeben. Die Agentur für Arbeit hob die Bewilligung des Arbeitslosengeldes auf, allerdings nicht unmittelbar im Anschluss an die jeweilige Pflichtverletzung. Vielmehr wurden mehrere Bescheide über Sperrzeiten mit unterschiedlicher Dauer zeitgleich erlassen. Widerspruch und Klage hiergegen blieben ohne Erfolg. Im Berufungsverfahren hat das LSG die Urteile des SG und beide Bescheide aufgehoben.
Im zweiten Verfahren (Urt. v. 27.6.2019 – B 11 AL 17/18 R) bezog der Kläger Arbeitslosengeld. Die Agentur für Arbeit bot ihm eine am 17.8.2016 beginnende Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung an. In der in dem Angebot enthaltenen Rechtsfolgenbelehrung wurde darüber belehrt, dass eine Sperrzeit eintrete, wenn die Maßnahme ohne wichtigen Grund nicht angetreten werde. Der weitere Text entsprach der Rechtsfolgenbelehrung des ersten Verfahrens. Der Kläger trat die Maßnahme nicht an. Ihm wurde eine weitere am 19.10.2016 beginnende Maßnahme angeboten. Das Angebot enthielt eine Rechtsfolgenbelehrung, die mit der des ersten Angebots gleichlautend war. Auch diese Maßnahme trat der Kläger nicht an. Der Widerspruch, Klage und Berufung blieben ohne Erfolg.
Die Revision blieb ohne Erfolg. Das BSG sah bei Sperrzeiten für die Dauer von sechs oder zwölf Wochen eine Rechtsfolgenbelehrung, die lediglich den Gesetzeswortlaut wiedergebe, nicht als ausreichend an. Es müsse im konkreten Fall über die leistungsrechtlichen Folgen belehrt werden. Weiter folge aus der Regelungsstruktur der Sperrzeitvorschriften und der verfahrensrechtlichen Umsetzung, dass nach einem ersten Pflichtenverstoß zunächst der Eintritt einer Sperrzeit festgestellt werden müsse, bevor eine Sperrzeit wegen eines zweiten Verstoßes festgestellt werde. Entsprechendes gilt für einen dritten Verstoß.
Im ersten Verfahren wurde das Urteil des LSG aufgehoben und an dieses zurückverwiesen, weil weitere Sachverhaltsermittlungen erforderlich sind.
Im zweiten Verfahren war die Revision des Klägers erfolgreich.
Hinweis:
Aufgrund der Rechtsprechung des BSG besteht nicht nur Anlass, in noch laufenden Verfahren darauf zu achten, ob die gerichtlichen Anforderungen beachtet werden. Bereits bestandskräftig abgeschlossene Bescheide für die Jahre ab 2015 können zudem durch Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X wieder aufgegriffen werden.
2. Insolvenzgeld und Betriebsübergang
Nach § 165 Abs. 1 S. 1 SGB III haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld (Insg), wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis (s. § 165 Abs. 1 S. 2 SGB III) für die vorausgegangenen 3 Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben.
Vorliegend kam in Betracht, dass während des Insolvenzgeldzeitraums ein Betriebsübergang nach § 613a BGB erfolgt war. Das LSG hielt diesen Umstand für unerheblich und ließ ihn offen. Es widerspreche dem Zweck des Insg, wenn Arbeitnehmer nach einer durch ein gesetzliches Insolvenzereignis eingetretenen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers auf das Ergebnis des Insolvenzverfahrens bzw. die Geltendmachung von ausstehenden Arbeitsen...