I. Vorbemerkung
Umgangsstreitigkeiten gehören zum – wenig erfreulichen – Alltag des familienrechtlichen Dezernats. Auch hier stecken – ähnlich wie bei den Sorgerechtsfällen (s. hierzu Viefhues ZAP F. 11, S. 1609 ff.) – zumeist die Beziehungsstreitigkeiten und Konfliktmuster der Eltern hinter den vorgetragenen Umgangsproblemen.
Auch der professionell tätige Verfahrensbevollmächtigte sollte dem von ihm vertretenen Elternteil, bei dem sich das Kind befindet, möglichst frühzeitig eindringlich und nachhaltig deutlich machen, dass Besuchskontakte zum anderen Elternteil nicht nur zu billigen, sondern aktiv zu fördern sind. Der betreuende Elternteil sollte auch die positiven Seiten des Umgangs erkennen und einsehen, dass es auch ihm nützt, seine Kinder zeitweise nicht ständig um sich zu haben, sondern auch ungehindert den eigenen Interessen nachgehen zu können. Dabei sollte auch klargestellt werden, dass gelegentliche emotional bedingte Zwistigkeiten, die bei Umgangskontakten immer wieder einmal auftreten, nicht hochgeschaukelt und vor allem nicht zum Anlass genommen werden sollten, Umgangskontakte zu verhindern oder zu hintertreiben. Dem umgangsberechtigten Elternteil ist klar zu machen, dass ein Umgangstermin keine unverbindliche Verabredung ist, sondern für das Kind unbedingt einzuhalten ist. Zudem dienen Umgangskontakte allein dem Kind und nicht der Kontakt- oder Streitpflege mit dem ehemaligen Partner.
Aus anwaltlicher Sicht ist besonders nachteilig, dass streitig geführte Umgangsverfahren zeit- und arbeitsaufwendig sind, aber nur mäßig honoriert werden. Es liegt daher auch im eigenen anwaltlichen Interesse, den Streit nicht anzuheizen, sondern aktiv zur Beruhigung beizutragen. Kommt es zu Umgangsstreitigkeiten, empfiehlt sich immer, zuerst das örtliche Jugendamt einzuschalten, um eine Vermittlung zwischen den Eltern zu versuchen.
Praxishinweise:
- Umgangskontakte müssen die getrennten und geschiedenen Eltern bis zur Volljährigkeit des Kindes abwickeln. Es versteht sich von selbst, dass nicht ein ganzer Apparat von Juristen, Sozialarbeitern, Pädagogen, Psychologen usw. für diese gesamte Zeit bereitgestellt werden kann, um die Eltern auf den rechten Weg zu verweisen – und das Ganze möglichst auch noch auf Kosten der Allgemeinheit.
- Je eher sich die zerstrittenen Eltern also daran gewöhnen, die Besuchskontakte als absolute Normalität zu begreifen und eigenständig ohne Probleme abzuwickeln, desto besser!
II. Grundsätze des Umgangsrechts
Leben die Eltern nicht zusammen, so hat der Elternteil, bei dem das Kind nicht lebt, ein Recht auf regelmäßigen Umgang mit dem Kind. § 1626 Abs. 3 BGB legt fest, dass der Umgang mit beiden Elternteilen zum Wohle des Kindes gehört. § 1684 Abs. 1 BGB definiert dies als eigenes Recht des Kindes. Die in § 1684 Abs. 1 BGB gesetzlich statuierte Pflicht eines Elternteils zum Umgang mit seinem Kind ist eine Konkretisierung der den Eltern grundrechtlich zugewiesenen Verantwortung für ihr Kind (OLG Frankfurt FamRZ 2021, 432).
Dabei steht ein Umgangsrecht auch einem leiblichen Vater im Fall der sog. privaten Samenspende zu, denn die von § 1686a Abs. 1 BGB vorausgesetzte anderweitige rechtliche Vaterschaft muss nicht durch gesetzliche Abstammung, sondern kann auch durch Adoption begründet worden sein (vgl. Viefhues ZAP F. 11 R, S. 1131 ff.). Das gilt entsprechend, wenn das Kind im Wege der Stiefkindadoption von der eingetragenen Lebenspartnerin oder Ehefrau der Mutter angenommen wurde (BGH, Beschl. v. 16.6.2021 – XII ZB 58/20).
Das Umgangsrecht ermöglicht dem umgangsberechtigten Elternteil, sich von dem körperlichen und geistigen Befinden des Kindes und seiner Entwicklung durch Augenschein und gegenseitige Aussprache fortlaufend zu überzeugen, die verwandtschaftlichen Beziehungen zu ihm aufrechtzuerhalten und einer Entfremdung vorzubeugen, sowie dem Liebesbedürfnis beider Teile Rechnung zu tragen (BVerfG FamRZ 2013, 433; s.a. BVerfG FamRZ 2007, 105; FamRZ 1995, 86, 87; BGH FamRZ 1984, 778, 779). Damit korrespondiert auch eine Pflicht des betreffenden Elternteils zum Umgang (BGH FamRZ 2005, 429) die allerdings eine nicht gerichtlich durchsetzbare Verpflichtung ist (BVerfG FamRZ 2008, 845, s. aber OLG Frankfurt FamRZ 2021, 432). Auf das Umgangsrecht kann daher auch nicht durch vertragliche Vereinbarung der Eltern verzichtet werden (BGH FamRZ 2005, 1471). Das Recht, Art und Umfang des Umgangs zu bestimmen, ergibt sich aus dem Recht der Personensorge, § 1632 Abs. 2 BGB.
III. Ausgestaltung der Umgangskontakte
Für die konkrete Ausgestaltung von Umgangskontakten gibt es keine festen Regeln, es ist immer eine kindeswohlgerechte Einzelfallregelung (OLG Köln FamRZ 2013, 49) zu treffen. Den Eltern steht es frei, den persönlichen Umgang im Einklang mit dem Kindeswohl durch Vereinbarung selbst zu regeln (KG, Beschl. v. 7.10.2015 – 13 WF 149/15, MDR 2015, 1241; OLG Brandenburg FamRZ 2015, 1818).
Können sich die Eltern über die Ausgestaltung des Umgangs nicht einigen, entscheidet gem. § 1684 Abs. 3 BGB das Gericht über Umfang und Ausübung des Umgangs (sonstige Familiensache gem. § 266 Abs. 1 Nr. 5 FamFG)....