Unmittelbar nachdem der Bundestag am 16. Oktober dem Gesetzesvorhaben zur Vorratsdatenspeicherung zugestimmt hat, haben sich die Berufskammern der Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Ärzte, Zahnärzte und Apotheker in einer gemeinsamen Resolution gegen die geplante Neuregelung ausgesprochen.
Die Vertreter von rund 500.000 Freiberuflern in Deutschland verweisen darauf, dass die Neuregelung auch die anlasslose Speicherung der Verkehrs- und Standortdaten der von ihnen vertretenen Berufsgeheimnisträger vorsieht und erheben dagegen starke verfassungsrechtliche und europarechtliche Bedenken.
Bereits die Speicherung der Daten stelle eine nicht zu akzeptierende Beeinträchtigung des Berufsgeheimnisses und damit des zwingend erforderlichen Vertrauensverhältnisses dar. Sie ermögliche die Erstellung aussagekräftiger individueller Persönlichkeits- und Bewegungsprofile und die Aufdeckung von Entscheidungsabläufen. Ob, wann und wie lange jemand z.B. mit einem Abgeordneten, Arzt, Apotheker, Journalisten, Rechtsanwalt oder Steuerberater Kontakt aufgenommen habe, unterliege bereits dem Berufsgeheimnis und müsse ohne jede Ausnahme vertraulich bleiben. Der aus verfassungsrechtlichen Gründen zwingend gebotene Schutz der Berufsgeheimnisträger könne nur dadurch gewährleistet werden, dass die Daten aller Berufsgeheimnisträger gar nicht erst von der Speicherpflicht erfasst würden.
Die Verfasser der Resolution bezweifeln die Behauptung der Gesetzesverfasser, eine Ausnahme von der Speicherung sei nicht möglich. Sie verweisen darauf, dass der Gesetzentwurf sehr wohl eine Ausnahme vorsehe, nämlich bei den Einrichtungen und Personen, die telefonische Beratungen in seelischen oder sozialen Notlagen anbieten. Zu diesem Zweck gebe es eine Liste aller Seelsorger, die der Bundesnetzagentur vorliege. Es sei kein Grund ersichtlich, solche Listen nicht auch für andere Berufsgeheimnisträger zu führen.
Das stattdessen im neuen § 100g Abs. 4 StPO für die Berufsgeheimnisträger vorgesehene Erhebungs- und Verwertungsverbot halten die Kammern für unzureichend. Es greife nicht, wenn sich der Zugriff nicht unmittelbar gegen den Zeugnisverweigerungsberechtigten richte, sondern gegen die Mandanten bzw. Patienten. Würden die Daten bei diesen erhoben, werde die Tatsache einer geschützten Kommunikation eines Bürgers mit Berufsgeheimnisträgern auf jeden Fall offenbar.
Die Resolution verweist zudem darauf, dass der EuGH in seiner Entscheidung zur entsprechenden EU-Richtlinie (vgl. ZAP EN-Nr. 245/2014) klargestellt hat, dass ein Verstoß gegen die Grundrechtscharta der Europäischen Union vorliegt, wenn Berufsgeheimnisträger nicht von der Speicherpflicht ausgenommen werden.
Der aktuellen Resolution der Berufskammern waren zahlreiche Proteste von Verbänden, Datenschützern und Netzaktivisten gegen die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung vorausgegangen. Auch die Bundesrechtsanwaltskammer und der Deutsche Anwaltverein hatten wiederholt Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Neuregelung geäußert und zudem Bedenken gegen ihre Praktikabilität vorgebracht (vgl. ZAP Anwaltsmagazin 10/2015, S. 505 u. 11/2015, S. 568).
[Quelle: BRAK]