a) "Versteckter" oder rechtsmissbräuchlicher Entbindungsantrag
Zwei Obergerichte hatten sich mit der Frage zu befassen, wie Entbindungsanträge zu behandeln sind, die erst kurz vor der Hauptverhandlung schriftsätzlich gestellt werden und ohne optische Hervorhebung im Text versteckt sind. Im Fall des OLG Rostock (NJW 2015, 1771 m. Anm. Leitmeier = VRR 9/2015, 16/StRR 2015, 314 [jew. Deutscher]) ging der Antrag 53 Minuten vor der Hauptverhandlung beim AG ein und befand sich in einem fünfseitigen, engbeschriebenen Schriftsatz ohne optische Hervorhebung. Im anderen Fall (OLG Hamm NStZ-RR 2015, 259 = VRR 9/2015, 17/StRR 2015, 313 [jew. Deutscher]) ging der Schriftsatz mit 1,5 eng beschriebenen Seiten drei Stunden vor dem Termin bei Gericht ein. In beiden Fällen wurden die Rechtsbeschwerden gegen die Verwerfungsurteile verworfen. Ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör habe nicht vorgelegen. Angesichts des Zeitpunkts des Eingangs der Schriftsätze und ihrer optischen Gestaltung habe die rechtzeitige Kenntnisnahme der Entbindungsanträge erschwert bzw. unmöglich gemacht werden sollen. Es sei ein Missbrauch prozessualer Rechte anzunehmen (so OLG Hamm). Das ist zweifelhaft, da es einerseits keine gesetzlichen Vorgaben für die Gestaltung von Schriftsätzen und die Hervorhebung von Anträgen gibt und zum anderen vollkommen unklar bleibt, wie sich diese Rechtsprechung mit dem bisher allgemein anerkannten Grundsatz verträgt, dass Entbindungsanträge noch bis zum Beginn der Hauptverhandlung gestellt werden können (etwa KG zfs 2015, 468 m. Anm. Krenberger = VRR 2014, 435 [Deutscher]). Die weitere Entwicklung zur Behandlung solcher Anträge durch andere OLG bleibt abzuwarten.
b) Verwerfungsurteil
Liegen die Voraussetzungen des § 74 Abs. 2 OWiG vor, muss der Einspruch zwingend verworfen werden. Aufgrund seiner Fürsorge- und Aufklärungspflicht muss der Tatrichter vor Erlass eines Verwerfungsurteils aber grundsätzlich bei der Geschäftsstelle nachfragen, ob eine Mitteilung über die Verhinderung des Betroffenen vorliegt, nicht aber bei allen Einlaufstellen für digitale und physikalische Post (KG NZV 2015, 253 = zfs 2015, 232 m. Anm. Krenberger). Stellt der Betroffene einen allgemeinen, nicht terminsbezogenen Antrag nach § 73 Abs. 2 OWiG und gibt das AG dem Antrag für den tatsächlich stattgefundenen Hauptverhandlungstermin statt, kann auch dann nach § 74 Abs. 1 S. 1 OWiG in Abwesenheit des Betroffenen verhandelt werden, wenn der ursprünglich vorgesehene Termin verlegt worden war (OLG Karlsruhe NStZ-RR 2015, 258).