1. Erbrechtliche Ausgangssituation
Das Erbrecht ordnet eine umfassende Gesamtrechtsnachfolge an; mit dem Erbfall geht das Vermögen des Erblassers als Ganzes mit allen Aktiva und Passiva auf den Erben über (§ 1922 Abs. 1 BGB). Der Erbe tritt in die Rechtsstellung des Erblassers ein, z.B. hinsichtlich des Eigentums an Sachen, der Inhaberschaft an Rechten und als Vertragspartei von Vertragsverhältnissen (MüKo-BGB/Leipold, § 1922 BGB Rn 20). Dieses Prinzip beansprucht auch Geltung für Rechtspositionen des "digitalen Nachlasses", wie z.B. das Eigentum an IT-Hardware und Datenträgern, Verträge über Telekommunikationsleistungen oder Internetdienstleistungen wie E-Mail oder Cloud, Verträge betreffend die Mitgliedschaft in sozialen Netzwerken oder die Einräumung von Nutzungsrechten.
Einige Ausnahmen von der Universalsukzession sind gesetzlich geregelt oder anderweitig rechtlich anerkannt. So sind etwa Beteiligungen persönlich haftender Gesellschafter an Personengesellschaften, sofern keine besondere gesellschaftsvertragliche Regelung besteht, nicht durch Gesamtrechtsnachfolge vererblich (Palandt/Weidlich, § 1922 BGB Rn 14 ff.). Unvererblich sind die
Darüber hinaus steht es den Parteien eines Vertrags grundsätzlich frei, vertragliche Rechte durch Vereinbarung unvererblich zu stellen. So kann etwa vereinbart werden, dass vertragliche Nutzungsrechte mit dem Tod enden oder Benutzerkonten mit allen Inhalten und Daten mit dem Tod des Nutzers zu löschen sind und diesbezügliche Rechte des Erblassers nicht auf den Erben übergehen (vgl. Gloser MittBayNot 2016, 12, 14).
Nach allgemeiner Auffassung sind auch höchstpersönliche Rechte und Rechtspositionen nicht vererblich. Der Sinn der Vorschriften, die bestimmte Positionen dem Übergang kraft Erbfolge entziehen, liegt ebenfalls in der Anerkennung eines besonderen individuellen Bezugs. Dieses Prinzip kommt wohl auch in § 399 BGB zum Ausdruck. Nach dieser Vorschrift können Forderungen nicht abgetreten werden, wenn ein Wechsel des Gläubigers den Inhalt der Forderung verändern würde. Entsprechend sind Rechtspositionen höchstpersönlicher Natur so stark von der Person des Erblassers geprägt, dass sie nicht ohne eine Änderung ihres Gehalts auf den Erben übergehen könnten. Dies dürfte als allgemeiner Rechtsgrundsatz anzusehen sein, der es rechtfertigt, höchstpersönliche Rechte von der erbrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge auszunehmen. Als höchstpersönliche Rechte anerkannt sind z.B. das Namensrecht und ideelle Komponenten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Palandt/Weidlich, § 1922 BGB Rn 36; MüKo-BGB/Leipold, § 1922 BGB Rn 98 ff.).
2. Keine Durchbrechung der erbrechtlichen Universalsukzession
Stimmen in der Literatur hatten in der Vergangenheit die Frage aufgeworfen, inwiefern Teile des "digitalen Nachlasses" höchstpersönlicher Natur und deshalb unvererblich seien. Inzwischen hat sich eine weithin akzeptierte Auffassung etabliert.
Offenbar rief der häufig persönliche und vertrauliche Inhalt des "digitalen Nachlasses" das Empfinden hervor, dass ein erhöhter Schutz – über das allgemeine Erbrecht hinaus – auch im Erbfall notwendig sei. Der bloße Umstand, dass Teile des "digitalen Nachlasses" private Angelegenheiten des Erblassers berühren, der Erblasser zu seinen Lebzeiten eine Offenlegung gegenüber dem Erben oder anderen Personen möglicherweise abgelehnt hätte und ein Bekanntwerden dem Erblasser mutmaßlich unangenehm gewesen wäre, kann die Vererblichkeit allerdings nicht ausschließen. Ein Rechtssatz, dass Nachlassbestandteile mit vertraulichem Charakter nicht auf den Erben übergingen, existiert nicht. Ein Nachlass umfasst nahezu immer vertrauliche Unterlagen und Korrespondenz. Diesbezüglich wird eine Einschränkung der Rechtsnachfolge durch den Erben nicht erwogen. Es besteht kein sachlicher Grund, dies für den "digitalen Nachlass" anders zu beurteilen.
Gelegentlich wird unterschieden zwischen vermögensrechtlichen Positionen, die grundsätzlich vererblich, und nicht vermögensrechtlichen Positionen, die grundsätzlich unvererblich seien (MüKo-BGB/Leipold, § 1922 BGB Rn 19). Diese Auslegungsregel ist nur begrenzt von Nutzen: In einem E-Mail-Account werden sich oft sowohl geschäftliche E-Mails zu Vertragsbeziehungen und anderen vermögensrechtlichen Positionen finden als auch private E-Mails ohne Vermögensbezug. Nach einer schon vor längerer Zeit entwickelten Ansicht sollen E-Mails des Erblassers mit privatem Inhalt nach Eintritt des Erbfalls den nächsten Angehörigen des Erblas...