Die wenigsten Menschen lassen sich bei der alltäglichen, kleinteiligen, laufend veränderten Nutzung von Angeboten der digitalen Welt von dem Gedanken an mögliche Probleme der Nachlassermittlung und Nachlassabwicklung nach ihrem Tod leiten. Das Interesse potentieller Erben an Übersichtlichkeit und Transparenz wird zu Lebzeiten des Erblassers kaum gewürdigt. Für den Erben ist es indessen eine große Hilfe, wenn er eine (aktualisierte) Übersicht über Mitgliedschaften, Domains, Nutzer-Accounts, Vertragsverhältnisse, Nutzungsrechte, Immaterialgüterrechte und den Datenbestand des Erblassers vorfindet, einschließlich aller Zugangsdaten und Kennwörter.
Praktikabel dürfte die Empfehlung sein, eine solche Übersicht elektronisch auf einem USB-Stick oder auf einer externen Festplatte passwortgeschützt zu speichern, den künftigen Erben, einen Bevollmächtigten und/oder den künftigen Testamentsvollstrecker über den Aufbewahrungsort des Speichermediums und das Passwort zu informieren (Steiner/Holzer ZEV 2015, 262, 266) und ggf. einen Hinweis auf den Aufbewahrungsort des Speichermediums und das Passwort zu den schriftlichen privaten Unterlagen zu nehmen.
Hinweis:
Die Aufnahme einer solchen Übersicht über den "digitalen Nachlass" in die letztwillige Verfügung ist demgegenüber nicht sinnvoll, da die zu erwartenden recht häufigen Änderungen jeweils eine Ergänzung der letztwilligen Verfügung erfordern würden und da letztwillige Verfügungen im Todesfall ggf. einer größeren Personenzahl, einschließlich den Pflichtteilsberechtigten, bekannt werden, deren Kenntnisnahme vom "digitalen Nachlass" vielleicht unerwünscht ist (auf diesen Aspekt weist Gloser MittBayNot 2016, 101, 104 zu Recht hin).
Auch die Hinterlegung einer Übersicht in Papierform in einem Bankschließfach ist bei häufigen Aktualisierungen beschwerlich. Übersichten und Zugangsdaten können von Vertrauenspersonen, Notaren oder kommerziellen Anbietern aufbewahrt werden. Dabei sollten die Datensicherheit und Missbrauchsgefahren bedacht werden, ebenso die vergleichsweise aufwändige Aktualisierung bei Veränderungen sowie die Frage, ob die Vertrauensperson oder der kommerzielle Anbieter bei Eintritt des Erbfalls, also möglicherweise in fernerer Zukunft, noch verfügbar sein wird. Auch Vereinbarungen mit der Vertrauensperson, dem Notar oder dem kommerziellen Dienstleister zur Mitteilung der Daten an Dritte im Erbfall müssen einerseits Missbrauch erschweren, andererseits praktikabel bleiben.
Idealerweise sollte der Erblasser bei Regelung seiner Rechtsnachfolge von Todes wegen bewusst entscheiden, welcher Nachfolger nach seinem Tod Zugang zu welchen möglicherweise vertraulichen Inhalten haben soll. Der Erblasser kann differenzieren und z.B. anordnen, dass bestimmte Vertragsverhältnisse auf den Erben übergehen sollen, dass aber eine andere Person als Vermächtnisnehmerin ausschließlich berechtigt sein soll, z.B. Dateien mit digitalen Fotos zu nutzen. Der Erblasser kann auch anordnen, dass ein Testamentsvollstrecker bestimmte Teile des "digitalen Nachlasses" sichtet, ermittelt und bestimmte Komponenten an verschiedene Personen weiterleitet, ohne diese über andere Inhalte zu unterrichten. Es besteht eine hohe Flexibilität, die ein Erblasser nutzen kann, wenn er über seine Vorstellungen und Wünsche reflektiert. Klare Regelungen in der letztwilligen Verfügung auch zum "digitalen Nachlass" vermeiden rechtliche Ungewissheiten über die Rechte verschiedener Nachfolger.
Zumindest bei Online-Angeboten, die typischerweise über einen langen Zeitraum genutzt werden, z.B. bei sozialen Netzwerken, kann es ratsam sein, dass der Erblasser den Anbieter über seine Entscheidungen für den Erbfall informiert. Einige Dienstleister bieten besondere Verfahren an, die die Vorkehrungen des Erblassers sinnvoll ergänzen können, z.B. eine automatische Mitteilung an eine bestimmte dritte Person bei längerer Inaktivität (vgl. Gloser MittBayNot 2016, 101, 105; Deusch ZEV 2014, 2, 7) oder die Benennung eines Vertreters mit Zugangsrechten. Es kann etwa vereinbart werden, dass eine solche automatische Mitteilung an eine Person gerichtet wird, die die Testamentsvollstreckung übernehmen oder Erbe werden soll. Ein Blick in die allgemeinen Geschäftsbedingungen von Dienstleistern, vor allem mit Sitz im Ausland, kann nützlich sein, um praktische und rechtliche Schwierigkeiten im Erbfall einschätzen zu können. Allerdings dürfte kaum ein Nutzer seine Entscheidung für einen Anbieter in erster Linie an derartigen Überlegungen ausrichten.
Realistisch wird man nicht annehmen können, dass die Nutzer von Mobil- und Online-Angeboten ihre Auswahl von Anbietern und Diensten von Schwierigkeiten abhängig machen, denen ihre Erben in hoffentlich ferner Zukunft begegnen können. Vielleicht könnten aber einige der vorstehend erörterten Vorkehrungen stärkere Verbreitung finden, die den Erben vollständige Informationen über den "digitalen Nachlass" an die Hand geben, ohne für den Erblasser zu dessen Lebzeiten einen hohen Aufwand auszulösen. Zu Lebzeit...