Die einst so hitzige Diskussion um den "EU-Führerscheintourismus" und dessen Auswirkungen auf die deutsche (Straf-)Rechtsordnung, insbesondere beim Fahren ohne Fahrerlaubnis nach § 21 StVG, hat sich merklich beruhigt. Soweit im Rahmen der Prüfung eines Wohnsitzverstoßes (§ 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 FeV) unbestreitbare Informationen des Ausstellungsmitgliedstaats vorliegen, aus denen sich die Möglichkeit ergibt oder die darauf hinweisen, dass die Wohnsitzvoraussetzung nicht gegeben war, sind zur endgültigen Beurteilung dieser Frage die Umstände des gesamten Falls heranzuziehen, also ergänzend auch die "inländischen Umstände". Bei der dem nationalen Gericht obliegenden Prüfung, ob es sich um unbestreitbare Informationen aus dem Ausstellungsmitgliedstaat handelt, können alle Umstände des anhängigen Verfahrens berücksichtigt werden. Nicht die Informationen aus dem Ausstellungsmitgliedstaat alleine müssen den Beweis für den Wohnsitzverstoß erbringen, sondern es ist ausreichend, wenn diese Informationen auf einen Scheinwohnsitz hinweisen und erst unter Berücksichtigung der übrigen bekannten Umstände den Wohnsitzverstoß belegen. Aus einer Auskunft des zuständigen polnischen Ministeriums, die besagt, dass der Fahrerlaubnisinhaber nach den vorliegenden Informationen seinen normalen Wohnsitz in Polen gehabt habe, da ein Ort bekannt sei, an dem er gewöhnlich während mindestens 185 Tagen im Kalenderjahr wohne und deshalb die erteilte Fahrerlaubnis gültig sei, ergeben sich gleichwohl Zweifel, ob der Fahrerlaubnisinhaber zum Zeitpunkt der Erteilung der Fahrerlaubnis in Polen tatsächlich einen Wohnsitz i.S.d. § 7 Abs. 1 S. 2 FeV, Art. 12 RL 2006/126/EG hatte, wenn ausdrücklich angegeben wird, dass zum Vorhandensein einer Unterkunft, zu persönlichen oder beruflichen Bindungen, Behördenkontakten sowie Eigentumsinteressen nichts bekannt sei. Denn ein ordentlicher Wohnsitz setzt eine Unterkunft sowie persönliche oder berufliche Bindungen voraus (VGH München NZV 2017, 292 [Ternig]). In welcher Weise die Behörden des Ausstellungsmitgliedstaats die Informationen gewinnen (etwa durch Mitteilung Dritter), ist nicht maßgeblich. Der betroffene Fahrerlaubnisinhaber hat die Möglichkeit, die Unrichtigkeit der Informationen darzulegen und zu beweisen (VGH München NZV 2017 398 [Koehl]). Erlässt die Fahrerlaubnisbehörde nach § 28 Abs. 4 S. 2 FeV einen feststellenden Verwaltungsakt über die fehlende Fahrberechtigung und wird dieser angefochten, besteht die Pflicht zur Vorlage des ausländischen Führerscheins nach § 47 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 47 Abs. 1 S. 2 FeV nur dann, wenn auch der feststellende Verwaltungsakt für sofort vollziehbar erklärt worden ist (VGH München NJW 2017, 2057 = zfs 2017, 419).