a) Alkohol
Hohe Wellen in der Praxis hat die Entscheidung des VGH Mannheim aus dem Jahr 2014 geschlagen, wonach die strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis wegen einer Fahrt unter Alkoholeinfluss für ein Wiedererteilungsverfahren die Notwendigkeit der Anordnung einer MPU auslösen soll, selbst wenn die BAK zur Tatzeit unter 1,6 ‰ – hier: 1,2 ‰ – lag (NJW 2014, 1833 = NZV 2014, 541 = DAR 2014, 416 mit Bespr. Mahlberg 419 = zfs 2014, 235 m. Anm. Haus 479 = StRR 2015, 70 [Pießkalla]). Das BVerwG (DAR 2017, 533 m. Bespr. Mahlberg 514 = NZV 2017, 445 [Gail] = VRR 8/2017, 20 [Pießkalla]; Hillmann DAR 2017, 241) hat sich nunmehr in einer Grundsatzentscheidung entgegengesetzt geäußert: Ist nach einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration von weniger als 1,6 ‰ die Fahrerlaubnis durch das Strafgericht entzogen worden, darf die Fahrerlaubnisbehörde die Neuerteilung nicht allein wegen dieser Fahrerlaubnisentziehung von der Beibringung eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens abhängig machen. Anders liegt es, wenn zusätzliche Tatsachen die Annahme künftigen Alkoholmissbrauchs begründen. Die Teilnahme des Inhabers einer Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung mit einem privaten Kfz am öffentlichen Straßenverkehr außerhalb der Fahrgastbeförderung unter unzulässig hohem Alkoholeinfluss gibt grundsätzlich nur Anlass, untersuchen zu lassen, ob zu erwarten ist, dass der Inhaber der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung unter unzulässig hohem Alkoholeinfluss auch Fahrgäste mit einem Taxi oder Mietwagen befördert, oder ob er – insoweit – über das erforderliche Trennungsvermögen bzw. die erforderliche Trennungsbereitschaft verfügt (VGH München NJW 2017, 2695).
Hinweis:
Wer an schwerer Altersdemenz oder schweren Persönlichkeitsveränderungen durch pathologische Alterungsprozesse leidet, ist ungeeignet zum Führen von Kfz (VGH München NZV 2017, 245 [Ternig]).
b) Cannabis
Ein täglicher Konsum von Cannabis, das zu einem beträchtlichen Teil illegal beschafft wird, schließt grundsätzlich nach Nummer 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV die Fahreignung aus, auch wenn der Betroffene aufgrund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 2 BtMG im Rahmen einer ärztlich begleiteten Selbsttherapie Medizinal-Cannabis aus der Apotheke erwerben darf (VGH Mannheim VRS 131, 207 = NZV 2017, 291 [Koehl]).
Hinweis:
Die Einnahme von Cannabis als Medikament und die Teilnahme am Straßenverkehr erörtert Koehl (DAR 2017, 313).
Nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ist ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, wer bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis den Konsum und das Fahren nicht trennen kann. Auch unter Berücksichtigung der Empfehlung der Grenzwertkommission vom September 2015 kann weiterhin ab einer THC-Konzentration von 1,0 ng/ml im Blutserum von fehlendem Trennungsvermögen zwischen gelegentlichem Cannabiskonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs ausgegangen werden (OVG Koblenz VRS 131, 278; OVG Schleswig NZV 2017, 294 [Gail]; OVG Lüneburg NJW 2017, 1129 [Ls.]). Bei einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten kann die Fahrerlaubnisbehörde nach einer erstmaligen, als Ordnungswidrigkeit geahndeten Fahrt mit einem Kfz unter der Wirkung von Cannabis grundsätzlich nicht gem. § 11 Abs. 7 FeV ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen von der Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgehen. Vielmehr sieht § 14 Abs. 1 S. 3 FeV hierfür die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung im Ermessenswege vor (VGH München DAR 2017, 417 m. Bespr. Koehl 378 = zfs 2017, 413). Die Erkenntnisse über das Abbauverhalten von THC ermöglichen die Beurteilung, ob ein für einen bestimmten Zeitraum eingeräumter Konsum von Cannabis für die Konzentration ursächlich gewesen sein kann, die in einer später gewonnenen Blutprobe vorhanden war (VGH München NZV 2017, 246 [Koehl]).
Hinweis:
Zur Entziehung der Fahrerlaubnis aufgrund einmaligen Konsums harter Drogen und dem Verteidigungsansatz der "unwissentlichen und unwillentlichen Einnahme" näher Urbanzyk (DAR 2017, 422). Zum Konsum von Khat VGH München (DAR 2017, 341 = NZV 2017, 198 [Gail]).
c) Verfahrensfragen
aa) Bindung an strafgerichtliche Entscheidungen
Eine vom AG gewährte Wiedereinsetzung gegen sein Urteil führt zu einem rückwirkenden und für das VG beachtlichen Wegfall der Rechtskraft eines zu einem Punkteeintrag führenden Bußgeldbescheids (OVG Schleswig zfs 2017, 238 = NZV 2017, 293 [Hühnermann] = VRR 5/2017, 20 [Pießkalla]). Die Vorschrift des § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV knüpft in der Weise an den in der behördlichen oder gerichtlichen Entscheidung über die Fahrerlaubnisentziehung genannten Grund der Nichteignung an, dass der Betroffene die damalige Feststellung dieses Grundes regelmäßig in einem Neuerteilungsverfahren ohne Weiteres gegen sich gelten lassen muss, wenn er von Rechtsbehelfen gegen die Entziehung keinen Gebrauch gemacht hat (OVG Lüneburg DAR 2017, 339).
bb) Punktesystem
Die Fahrerlaubnis ist nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 StVG auch dann zu entziehen, wenn der Fahrerlaubnisinhaber die zum Erreichen der Acht-Punkte-Grenze führende weitere Zuwiderhandlung vor der Erteilung der Verwarnung begangen hatte und dies...