aa) Bindung an strafgerichtliche Entscheidungen
Eine vom AG gewährte Wiedereinsetzung gegen sein Urteil führt zu einem rückwirkenden und für das VG beachtlichen Wegfall der Rechtskraft eines zu einem Punkteeintrag führenden Bußgeldbescheids (OVG Schleswig zfs 2017, 238 = NZV 2017, 293 [Hühnermann] = VRR 5/2017, 20 [Pießkalla]). Die Vorschrift des § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV knüpft in der Weise an den in der behördlichen oder gerichtlichen Entscheidung über die Fahrerlaubnisentziehung genannten Grund der Nichteignung an, dass der Betroffene die damalige Feststellung dieses Grundes regelmäßig in einem Neuerteilungsverfahren ohne Weiteres gegen sich gelten lassen muss, wenn er von Rechtsbehelfen gegen die Entziehung keinen Gebrauch gemacht hat (OVG Lüneburg DAR 2017, 339).
bb) Punktesystem
Die Fahrerlaubnis ist nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 StVG auch dann zu entziehen, wenn der Fahrerlaubnisinhaber die zum Erreichen der Acht-Punkte-Grenze führende weitere Zuwiderhandlung vor der Erteilung der Verwarnung begangen hatte und diese Zuwiderhandlung zum Zeitpunkt der Verwarnung rechtskräftig geahndet und im Fahreignungsregister gespeichert, der Fahrerlaubnisbehörde aber noch nicht übermittelt war. Eine Verringerung des Punktestands nach § 4 Abs. 6 S. 3 Nr. 2 StVG tritt in einem solchen Fall nicht ein (BVerwG DAR 2017, 406 = zfs 2017, 355 m. Anm. Haus = NZV 2017, 397 [Hühnermann]).
Hinweis:
Maßnahmen nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem (§ 4 StVG) bei verzögerten Meldungen an die Fahrerlaubnisbehörde erörtert Pießkalla (NZV 2017, 261). Zum Fahrerlaubnisentziehungsbescheid wegen des Erreichens der Acht-Punkte-Grenze Fromm (DAR 2017, 234).
cc) Gutachtenanordnung
Im Rahmen der Anordnung der sofortigen Vollziehung widerspräche es jeglicher Lebenserfahrung anzunehmen, dass ein Verkehrsteilnehmer, der unstreitig unter Cannabis-Einfluss am Straßenverkehr teilgenommen hat, bereits nach dem erst- und einmaligen Konsum von Cannabis in eine polizeiliche Verkehrskontrolle gerät. Daher kann die Verkehrsbehörde regelmäßig bereits nach einer nur einmalig festgestellten Verkehrsteilnahme unter Cannabis-Einfluss eine wenigstens gelegentliche Verkehrsteilnahme unter Cannabis-Einfluss unterstellen, solange der Verkehrsteilnehmer während des Verwaltungsverfahrens keinen Nachweis für das Vorliegen eines insoweit atypischen Geschehensablaufs erbringt (OVG Schleswig NZV 2017, 294 [Gail]). Der bloße Besitz geringer Mengen Marihuana/Cannabis (1,8 g) rechtfertigt nicht die Anordnung, ein ärztliches Gutachten zur Klärung von Eignungszweifeln beizubringen (VG Minden StraFo 2017, 167 = NZV 2017, 247 [Voigt]). Tatsachen, die aus Sachverhalten herrühren, die anstatt im Fahreignungsregister nur im Bundeszentralregister eintragungsfähig sind, dürfen für die Begründung von Fahreignungszweifeln nicht mehr herangezogen werden, wenn sich aus dem Bundeszentralregister ein Verwertungsverbot ergibt (OVG Münster NZV 2017, 447 [Koehl]). Der Umstand, dass die Tilgungs- und Verwertungsfristen von Verkehrsverstößen noch nicht abgelaufen sind, macht insbesondere bei zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beibringensaufforderung bereits längere Zeit zurückliegenden Verstößen einzelfallbezogene Ermessenserwägungen im Rahmen der nach § 11 Abs. 2 und 3 FeV zu treffenden Ermessensentscheidung nicht entbehrlich (BVerwG NJW 2017, 1765 = DAR 2017, 411). Für die Anordnung von Maßnahmen zur Vorbereitung der Entscheidung über die Erteilung einer Fahrerlaubnis kann keine gesonderte Verwaltungsgebühr erhoben werden (OVG Lüneburg DAR 2017, 416).
Hinweis:
Eine auf die Feststellung, zukünftig von Maßnahmen zur Abklärung der Fahreignung verschont zu bleiben, gerichtete Klage ist mangels Fortsetzungsfeststellungsinteresses unzulässig (VGH München DAR 2017, 216 m. Anm. Koehl).