Überträgt man diese Grundsätze auf die Verkehrssicherungspflicht für Bäume, ergibt sich Folgendes:
1. Allgemeine Grundsätze
Sowohl dem Privateigentümer als auch der öffentlich-rechtlichen Körperschaft, z.B. der Kommune, als Eigentümer oder als Träger der Straßenbaulast obliegt die Verkehrssicherungspflicht für die auf ihrem Grund und Boden wachsenden Bäume. Sie soll nicht nur die Personen schützen, die sich berechtigterweise auf dem baumbewachsenen Grundstück aufhalten, sondern auch diejenigen, die sich auf Nachbargrundstücken befinden. Das gilt sowohl in dem Fall, dass Zweige der Bäume auf ein Nachbargrundstück herüberragen, als auch dann, wenn sich die Bäume zwar insgesamt auf dem Grundstück halten, auf dem sie wachsen, aber in irgendeiner Weise auf ein Nachbargrundstück einwirken.
Die Schwierigkeit beim Einhalten der Verkehrssicherungspflicht für Bäume besteht darin, dass schadensverursachende Ereignisse meistens auf Natureinflüssen beruhen und nicht generell bestimmt ist, welche Maßnahmen zur Verhinderung eines solchen Schadenseintritts notwendig sind. Diesbezüglich ist in erster Linie an eine mehr oder weniger regelmäßige Baumkontrolle zu denken. Der Verkehrssicherungspflichtige hätte es leichter, wenn es ein verbindliches Regelwerk gäbe, in welchem aufgelistet ist, was er in dieser Hinsicht zu tun hat. Ein solches Regelwerk existiert jedoch nicht.
Hinweis:
Insbesondere ist die FLL-Baumkontrollrichtlinie (Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V. in Bonn) keine verbindliche Regelung. Sie ist für die Gerichte bei der Entscheidung darüber, ob im Zusammenhang mit Bäumen die Verkehrssicherungspflicht verletzt wurde, nicht bindend. Allerdings kann sie als Maßstab für die Beurteilung einer eventuellen Verkehrssicherungspflichtverletzung herangezogen werden (vgl. OLG Köln, Urt. v. 29.7.2010 – 7 U 31/10, juris Rn 13 = VersR 2010, 1328, 1329).
Nach der Rechtsprechung vieler Instanzgerichte (s. beispielhaft nur OLG Hamm, Urt. v. 24.9.2004 – 9 U 158/02, juris Rn 10 = NZV 2005, 371) müssen Bäume grundsätzlich zweimal jährlich, bei Laubbäumen einmal in belaubtem, einmal in unbelaubtem Zustand, einer äußeren Zustands-, Gesundheits- und Standfestigkeitsprüfung bis zum Astwerk der Krone unterzogen werden. Eine solche schematische Betrachtung ist jedoch nicht angezeigt. Deshalb hat der BGH (Urt. v. 2.7.2004 – V ZR 33/04, juris Rn 13 = VersR 2005, 843 f.) darauf hingewiesen, dass die Häufigkeit und der Umfang von Baumkontrollen von dem Alter und Zustand des Baums sowie seinem Standort abhängen.
2. Verkehrssicherungspflicht für Bäume an öffentlichen Verkehrswegen
a) Öffentlich-rechtliche Straßenverkehrssicherungspflicht
Nach der ständigen BGH-Rechtsprechung (s. nur Urt. v. 6.3.2014 – III ZR 352/13, juris Rn 7 = VersR 2014, 722, 723) erstreckt sich die Straßenverkehrssicherungspflicht auch auf den Schutz vor Gefahren durch Bäume:
Zitat
"Der Verkehrssicherungspflichtige muss daher Bäume oder Teile von ihnen entfernen, die den Verkehr konkret gefährden, insbesondere wenn sie nicht mehr standsicher sind oder wenn Äste herabzustürzen drohen. Allerdings stellt jeder Baum an einer Straße oder an einem öffentlichen Parkplatz eine mögliche Gefahr dar. Denn einerseits können auch völlig gesunde Bäume vom Sturm, selbst bei nicht außergewöhnlicher Windstärke, entwurzelt oder geknickt oder Teile von ihnen abgebrochen werden; auch Schneeauflage oder starker Regen können zum Absturz selbst von größeren Ästen führen. Andererseits ist die Erkrankung oder Vermorschung eines Baums von außen nicht immer erkennbar. Das gebietet aber nicht die Entfernung aller Bäume aus der Nähe von Straßen und öffentlichen Parkplätzen oder eine besonders gründliche Untersuchung jedes einzelnen Baums. Der Umfang der notwendigen Überwachung und Sicherung kann nicht an dem gemessen werden, was zur Beseitigung jeder Gefahr erforderlich ist; es ist unmöglich, den Verkehr völlig risikolos zu gestalten. Dieser muss gewisse Gefahren, die nicht durch menschliches Handeln entstehen, sondern auf Gegebenheiten der Natur selbst beruhen, als unvermeidlich hinnehmen. Die Behörden genügen daher ihrer Sicherungs- und Überwachungspflicht, wenn sie –âEUR¯außer der stets gebotenen regelmäßigen Beobachtung auf trockenes Laub, dürre Äste, Beschädigungen oder FrostrisseâEUR¯– eine eingehende Untersuchung dort vornehmen, wo besondere Umstände –âEUR¯wie das Alter des Baums, sein Erhaltungszustand, die Eigenart seiner Stellung oder sein statischer Aufbau oder ÄhnlichesâEUR¯– sie dem Einsichtigen angezeigt erscheinen lassen."
Hinweis:
Diese Formulierungen beruhen auf den oben unter II. 1. aufgezeigten Erkenntnissen, dass eine jeden Schadensfall ausschließende Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht nicht möglich ist und die Haftung des Verpflichteten nicht ausufern darf.
Beispielhaft für die Anwendung dieser Grundsätze der öffentlich-rechtlichen Straßenverkehrssicherungspflicht sei folgender Fall genannt: