Bei der Frage, ob und in welcher Höhe Verbindlichkeiten vom Einkommen des Verpflichteten mindernd abgezogen werden können, gelten im Bereich des schwach ausgestalteten Elternunterhalts weitaus weniger strenge Grundsätze als beim Ehegattenunterhalt oder gar beim Unterhalt minderjähriger Kinder mit der verschärften Haftung des § 1603 Abs. 2 BGB.
Der Unterhaltspflichtige braucht bei der Inanspruchnahme auf Elternunterhalt keine spürbare und dauerhafte Senkung seines berufs- und einkommenstypischen Unterhaltsniveaus hinzunehmen (BGH, Beschl. v. 18.1.2017 – XII ZB 118/16, ZAP EN-Nr. 253/2017 = FamRZ 2017, 519; v. 7.8.2013 – XII ZB 269/12, FamRZ 2013, 1554 Rn 39).
Häufig setzt das Sozialamt nur pauschale Abzüge an. Es lohnt sich daher, die konkreten Lebensumstände des Mandanten genau zu ermitteln und nachzuweisen. Für den Lebensstandard charakteristische Ausgaben können den Rückgriff des Sozialamtes zusätzlich schmälern. Dazu gehören etwa Vereinsmitgliedschaften, Kinderbetreuungskosten oder regelmäßige Urlaubsreisen.
a) Abzug von Unterhaltsverbindlichkeiten
Vom Einkommen sind immer die Unterhaltsverbindlichkeiten gegenüber vorrangig Unterhaltsberechtigten (§ 1609 BGB) abzuziehen, also dem eigenen Ehegatten, seinen eigenen Kindern sowie der unverheirateten Mutter eines Kindes des Verpflichteten (§ 1615 Abs. 1 BGB).
b) Abzug des Familienunterhalts des Ehegatten des unterhaltspflichtigen Kindes
Ist das unterhaltspflichtige Kind verheiratet, ist auch der Anspruch seines Ehegatten auf Familienunterhalt als – vorrangige – Abzugsposition zu berücksichtigen. Dies wird in der Praxis dadurch realisiert, dass für den Ehegatten ein eigenständiger Selbstbehaltssatz in die Berechnung eingestellt wird (s. unten 7.).
c) Berücksichtigung von geleistetem Naturalunterhalt
Auch an eine andere Person geleisteter Naturalunterhalt hat für die Fähigkeit zur Leistung von Elternunterhalt Bedeutung.
Beispiel:
(nach BGH, Beschl. v. 7.2.2018 – XII ZB 338/17, FamRZ 2017, 711)
Das Sozialamt macht Elternunterhalt gegen die Tochter T geltend, die 2.200 EUR verdient. Sie betreut das minderjährige Kind, dessen – nicht mit ihr zusammenlebender – Vater über ein Einkommen von 2.800 EUR verfügt. Er schuldet für dieses Kind Unterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle i.H.v. 538 EUR, abzgl. ½ Kindergeld von 97 EUR, das die Mutter bezieht. Folglich zahlt er monatlich 441 EUR.
Für die Berechnung des Elternunterhalts hat der BGH klargestellt, dass der vom Barunterhalt des anderen Ehegatten nicht gedeckte Teil des Kindesbedarfs als "Abzugsposten" durchaus Relevanz hat. Denn dieser Abzugsposten bewirkt eine Reduzierung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit dieser – hier auf Elternunterhalt in Anspruch genommenen – Person (BGH, a.a.O.). Der BGH führt aus, dass sich auch in diesem Fall der Bedarf des Kindes nach dem zusammengerechneten Einkommen beider Eltern bemisst, also nach 2.200 EUR + 2.800 EUR = 5.000 EUR. Damit beträgt der Bedarf nach der Tabelle 710 EUR abzgl. des ½ Kindergelds i.H.v. 97 EUR, es verbleiben 613 EUR. Durch den Vater wird dieser Bedarf nur i.H.v. 441 EUR gedeckt. Damit verbleibt ein ungedeckter Rest von 172 EUR, den die Mutter aus ihrem Einkommen aufbringt. Folglich reduziert sich das – für den Elternunterhalt noch zur Verfügung stehende – Einkommen der Mutter von 2.200 EUR abzgl. 172 EUR auf 2.028 EUR.
Der BGH führt weiter aus, dass das dem betreuenden Elternteil zustehende hälftige Kindergeld kein unterhaltsrelevantes Einkommen beim Elternunterhalt ist (BGH FamRZ 2017, 711).
Praxishinweise:
Trifft die Kinderbetreuung mit einer Erwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils zusammen, ist nicht ein pauschaler Betreuungsbonus zu gewähren, sondern es hängt von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab, inwieweit das erzielte Einkommen ganz oder teilweise als überobligatorisch unberücksichtigt bleibt (BGH FamRZ 2017, 711). Hierzu ist anwaltlicher Sachvortrag erforderlich.
d) Rücklagen für die Altersvorsorge
Hat der Unterhaltspflichtige das Rentenalter noch nicht erreicht, darf er zur vorrangigen Sicherstellung der eigenen Bedürfnisse eine angemessene Altersversorgung bilden. Auch Altersvorsorgeaufwendungen sind daher grundsätzlich abzugsfähig, soweit sie angemessen sind (BGH, Urt. v. 19.2.2003 – XII ZR 67/00, FamRZ 2003, 860). Die Rücklage muss aber tatsächlich erfolgen; fiktive Abzüge sind nicht anzuerkennen. Eine solche laufende Rücklage darf auch fortgesetzt werden, nachdem das unterhaltspflichtige Kind auf Elternunterhalt in Anspruch genommen worden ist.
Wird mit dieser Rücklage für eine zusätzliche Altersversorgung erst begonnen, wenn der Anspruch auf Elternunterhalt geltend gemacht wird, bestehen Bedenken gegen eine Anrechenbarkeit. Der BGH hat dies allerdings in einem Fall, in dem dies gegenüber einem Anspruch auf Minderjährigenunterhalt gem. § 1603 Abs. 2 BGB geltend gemacht worden ist, nicht als generell unzulässig angesehen, sondern eine konkrete Interessenabwägung verlangt. Wenn der Unterhaltspflichtige die Anrechnung durchsetzen will, muss er die Gründe, die im Rahmen der Interessenabwägung für ihn sprechen, substantiiert darlegen und ggf. unter Beweis stellen.
Für die erforderliche Interessenabwägung sind folgende Gesichtspunkte relevant: