Literaturhinweis:
Zu Rechtsgrundlagen und Systematik des bußgeldrechtlichen Fahrverbots wird verwiesen auf Deutscher, in: Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 5. Aufl. 2018 (Rn 1355 ff., 1586 ff.).
a) Tatbestand
Von einem wegen eines groben Pflichtenverstoßes (hier: Geschwindigkeitsüberschreitung um 32 km/h) i.S.v. § 25 Abs. 1 S. 1 StVG i.V.m. § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BKatV verwirkten Regelfahrverbot kann bei einem innerorts bei freier Gegenfahrbahn durchgeführten Überholvorgang grundsätzlich nicht abgesehen werden; das Überholen begründet in einem solchen Fall keinen Ausnahmeumstand im Sinne geringen Verschuldens. Dies gilt regelmäßig auch dann, wenn es sich bei dem Tatort um eine übersichtliche, breit ausgebaute und schnurgerade verlaufende Fahrbahn ohne Wohnbebauung oder Fußgängerverkehr handelt (OLG Bamberg DAR 2018, 382 = NZV 2018, 337 [Krenberger]). Bei einem qualifizierten Rotlichtverstoß an einer Baustellenampel sind mit Blick auf einen Wegfall des Fahrverbots grundsätzlich Feststellungen zur (einspurigen) Verkehrsführung erforderlich (OLG Oldenburg zfs 2018, 290). Für das nach BKat-Nr. 89b.2 anzuordnende Regelfahrverbot (Überqueren eines Bahnübergangs trotz Wartepflicht) ist es ohne Bedeutung, dass der Betroffene noch versuchte, rückwärts zu fahren, dies jedoch aufgrund sich zur Tatzeit hinter ihm befindender anderer Fahrzeuge nicht konnte. Auch die Beschädigung des vom Betroffenen geführten Fahrzeugs bzw. die erhebliche Eigengefährdung sind keine Gründe, von einer Fahrverbotsanordnung nach (nur fahrlässigem) Verstoß am Bahnübergang mit Sachschaden Abstand zu nehmen – allein die Gefährdung eines Beifahrers spricht schon dagegen (AG Dortmund NZV 2018, 292 [Deutscher]). Die eine auffällige Rückfallgeschwindigkeit aufweisende Vorahndungslage des Betroffenen kann einen beharrlichen Pflichtenverstoß gem. § 25 Abs. 1 StVG außerhalb eines Regelfalls i.S.v. § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV begründen (OLG Bamberg DAR 2018, 279).
b) Erforderlichkeit
Das OLG Bamberg (VRR 4/2018, 19 [Deutscher]) bleibt bei seiner strengen Linie: Eine auf eigene Kosten erfolgende freiwillige Teilnahme des Betroffenen an einer verkehrspsychologischen Schulung rechtfertigt für sich allein grundsätzlich nicht das Absehen von einem verwirkten bußgeldrechtlichen Fahrverbot. Eine Ausnahme kann auch dann nur in Betracht kommen, wenn daneben eine Vielzahl weiterer zugunsten des Betroffenen sprechender Gesichtspunkte festgestellt werden können. Für Verzögerungen nach Urteilserlass soll nach OLG Dresden (zfs 2018, 411 m. Anm. Krenberger) ein Eingreifen des Rechtsbeschwerdegerichts auf die zulässig erhobene Rechtsbeschwerde von Amts wegen geboten sein (hier: vom einmonatigen Fahrverbot gilt eine Woche als vollstreckt), wenn der Betroffene diese Gesetzesverletzung nicht form- und fristgerecht rügen konnte, weil die Verzögerung erst nach Ablauf der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist eingetreten ist (zweifelhaft).
c) Angemessenheit
Bei abhängig Beschäftigten ist die Anordnung eines Fahrverbots unangemessen, wenn dies zum Verlust des Arbeitsplatzes führen würde und die drohende Existenzgefährdung nicht durch anderweitige, zumutbare Maßnahmen abgewendet werden kann, etwa durch Verbüßung während des Urlaubs unter Berücksichtigung des bis zu viermonatigen Vollstreckungsaufschubs nach § 25 Abs. 2a StVG. Das Amtsgericht hat sich bei der Prüfung der Verhängung eines Fahrverbots mit der Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz des Betroffenen erst dann auseinanderzusetzen, wenn dieser verifizierbare Tatsachen substantiiert vorträgt, die eine solche Gefährdung greifbar machen (OLG Bamberg NZV 2018, 290 [Siegert-Paar]).
d) Ausnahme bestimmter Fahrzeugarten
Ein Fahrverbot kann bei der geltenden Gesetzeslage auch weiterhin entgegen AG Dortmund (DAR 2018, 218 Ls. = VRR 2/2017, 19 [Deutscher] ohne Begründung) nicht beschränkt werden auf Fahrzeuge mit bestimmter Motorleistung (zur Beschränkung des Fahrverbots Pliefke DAR 2018, 235).
e) Entbindung vom persönlichen Erscheinen
Hat der von der Verpflichtung des persönlichen Erscheinens entbundene Betroffene den ihn vertretenden Verteidiger nicht über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die tatsächlichen Umstände seiner "Fahrverbotsempfindlichkeit" unterrichtet und kann der Verteidiger demzufolge hierzu in der Hauptverhandlung keine Angaben machen, so verlangt die Amtsaufklärungspflicht (§ 77 Abs. 1 OWiG) nicht, den Betroffenen in einem weiteren Termin dazu zu hören. Vielmehr hat sich der Betroffene durch die mangelnde Instruierung seines Verteidigers der Möglichkeit genommen, fahrverbotsfeindliche Umstände aus dem persönlichen Bereich geltend zu machen (KG VRR 9/2018, 15 [Deutscher]).