a) Vorläufiges Legitimationspapier
Auf Vorlage des AG Kehl hat der EuGH (DAR 2018, 435) entschieden: Ein Mitgliedstaat wird durch Art. 2 Abs. 1 der Dritten Führerschein-Richtlinie nicht daran gehindert, eine Sanktion gegen eine Person zu verhängen, die zwar die in der Richtlinie vorgesehenen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Führerscheins erfüllt hat, aber in seinem Hoheitsgebiet ein Kfz führt, ohne im Besitz eines den Anforderungen des in dieser Richtlinie vorgesehenen Musters entsprechenden Führerscheins zu sein, und die bis zur Ausstellung eines entsprechenden Führerscheins durch einen anderen Mitgliedstaat das Bestehen ihrer in diesem anderen Mitgliedstaat erworbenen Fahrerlaubnis ausschließlich durch ein von diesem ausgestelltes vorläufiges Legitimationspapier nachweisen kann (hier: §§ 28, 29 FeV), sofern diese Sanktion nicht außer Verhältnis zur Schwere der in Rede stehenden Tat steht. Daran anschließend hält das AG Kehl (DAR 2018, 457 m. abl. Anm. Dauer/König) einen Schuldspruch wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis nach § 21 StVG eines lediglich eine für das Gebiet eines Mitgliedstaats gültige Prüfbescheinigung besitzenden Fahrzeugführers selbst dann für unverhältnismäßig, wenn das Gericht die geringstmögliche Rechtsfolge, nämlich eine Verwarnung mit Strafvorbehalt gem. § 59 StGB, ohne Verhängung von Bewährungsauflagen nach § 59a Abs. 2 StGB, aussprechen würde.
b) Wohnsitzerfordernis: Unbestreitbare Informationen
Hat sich der Inhaber eines EU-Führerscheins nach Auskunft der Behörden des Ausstellungsmitgliedstaats nur für einen knapp über 185 Tage dauernden vorübergehenden Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat angemeldet und bereits 54 Tage nach der Anmeldung den Führerschein erworben, liegen vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührende unbestreitbare Informationen gem. § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 FeV vor, die auf einen Wohnsitzverstoß hinweisen. Um zu beurteilen, ob tatsächlich ein Wohnsitzverstoß vorliegt, können dann auch inländische Umstände berücksichtigt werden (VGH München NJW 2018, 2343 = DAR 2018, 468 = zfs 2018, 414). Die auch von einem örtlichen Mitarbeiter unterzeichnete Angabe des Transportministeriums der Tschechischen Republik, ein mindestens 185-tägiger Aufenthalt des Antragstellers bzw. die näheren Umstände und Gründe dieses Aufenthalts seien unbekannt, ist kein i.S.d. § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 FeV ausreichendes Indiz für etwa einen bloßen Kurzaufenthalt oder Scheinwohnsitz des Antragstellers in Tschechien (so OVG Münster NZV 2018, 295 [Koehl]). Dagegen OVG Lüneburg (NJW 2018, 1769 = DAR 2018, 341 = zfs 2018, 296): Beantwortet eine zuständige Behörde des Ausstellermitgliedstaats eine auf die Überprüfung der Einhaltung des Wohnsitzerfordernisses gerichtete Anfrage deutlich überwiegend mit der Bekundung von Unwissen ("unknown"), scheidet es nicht aus, darin eine unbestreitbare Information i.S.d. § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 FeV zu sehen, die bei gleichzeitig beibehaltenem Wohnsitz im Inland auf einen fehlenden ordentlichen Wohnsitz des Betroffenen im Ausstellermitgliedstaat hinweist und es daher rechtfertigt, die Frage, ob ein solcher Wohnsitz tatsächlich bestand, aufgrund einer Gesamtschau zu beurteilen.
c) Umtausch des Führerscheins
Bei der Prüfung eines Wohnsitzverstoßes findet § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 FeV auch dann Anwendung, wenn ein unter Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis ausgestellter EU-Führerschein ohne erneute Überprüfung der Fahreignung in einen Führerschein eines anderen EU-Mitgliedstaats umgetauscht wird, der seinerseits keinen weiteren Wohnsitzverstoß dokumentiert. Wird eine nach § 28 Abs. 1 FeV für das Führen von Kfz im Inland erforderliche EU- oder EWR-Fahrerlaubnis durch den Ausstellermitgliedstaat entzogen, kann der Betroffene die Wirksamkeit dieser Entziehung allein mittels der hierfür im Ausstellermitgliedstaat vorgesehenen Rechtsbehelfe überprüfen lassen (VGH Mannheim NZV 2018, 181 m. Anm. Rebler). Zum Umtausch der Fahrerlaubnis eines Drittstaats nach § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 7 FeV hat das OLG Karlsruhe (DAR 2018, 94 = NZV 2018, 339 [Koehl]) dem EuGH folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Besteht die Anerkennungspflicht nach Art. 2 Abs. 1 Dritte Führerschein-Richtlinie auch nach dem ohne Fahreignungsprüfung erfolgten Umtausch eines Führerscheins durch einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union, wenn der vorherige Führerschein nicht der Anerkennungspflicht unterliegt (hier: der vorherige von einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union ausgestellte Führerschein beruhte seinerseits auf dem Umtausch eines Führerscheins eines Drittstaats, Art. 11 Abs. 6 S. 3 Dritte Führerschein-Richtlinie)?
d) Erstmalige Versagung der Fahrerlaubnis
Die erstmalige Versagung einer inländischen Fahrerlaubnis steht der Berechtigung zum Führen von Kfz aufgrund einer anschließend erlangten EU-Fahrerlaubnis nicht nach § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 FeV entgegen (OLG Celle NStZ-RR 2018, 225 = NZV 2018, 387 [Ternig]).