Viele Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sind schlechte Chefs. Ihnen mangelt es vor allem an sozialen Kompetenzen beim Umgang mit ihren Mitarbeitern. Das war das Ergebnis des Expertenforums "Die Zukunft eines Berufs", das der Deutsche Anwaltverein (DAV) Mitte September in Berlin veranstaltet hat.
Vor dem Hintergrund, dass die Zahl der Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten (ReNos) und der Rechtsanwaltsfachangestellten (ReFas) ist in den letzten 40 Jahren drastisch gesunken ist und mittlerweile nur noch 5 % der Kanzleien berichten, dass sie keine Probleme bei der Rekrutierung neuer Mitarbeiter haben, wurde insbesondere die Frage erörtert, was Anwältinnen und Anwälte tun können, um ReNos und ReFas zu halten oder neu für ihre Kanzlei zu gewinnen. Hingewiesen wurde darauf, dass im Jahr 1980 noch 10.000 Ausbildungsverträge (bei einer Zahl von 36.000 zugelassenen Rechtsanwälten) mit angehenden ReNos und ReFas abgeschlossen wurden, 2017 waren es hingegen bei mehr als 160.000 zugelassenen Anwälten nur noch knapp 3.300 Verträge. Ein Teil dieser Entwicklung geht natürlich auf das Konto der EDV, die zwischenzeitlich flächendeckend in die Büros eingezogen ist. Auch erfüllen heute insbesondere in großen Kanzleien nicht selten Wirtschaftsjuristen mit Bachelor-Abschluss die Arbeit von ReNos, zudem sind Legal-Tech-Anwendungen auf dem Vormarsch. Aber gerade kleine und mittlere Kanzleien werden trotz dieser Entwicklungen auf absehbare Zeit nicht ohne ReNos oder ReFas auskommen können.
Wenn es so weitergehe, war die Prognose, sterben diese Berufe in etwa zehn Jahren aus. Die Gründe seien nicht allein struktureller Natur. Starke Kritik wurde insbesondere an den Anwältinnen und Anwälten geübt. Beklagt wurde vor allem die mangelnde Wertschätzung der nichtjuristischen Mitarbeiter. Auffällig war hier die Diskrepanz in der Blickrichtung: Während die Anwälte sich meist für gute Führungskräfte halten, sehen die Angestellten dies oft ganz anders. Rechtsanwälte benötigen als Ausbilder keinen Ausbildungsschein und haben deshalb offenbar Defizite, die Mitarbeiter adäquat zu führen und auf ihre Bedürfnisse einzugehen. Dabei ist neben dem Gehalt vor allem die Wertschätzung der eigenen Arbeit derjenige Aspekt, auf den die nichtjuristischen Mitarbeiter den größten Wert legen.
Geraten wurde auf dem Forum deshalb, mehr Augenmerk auf den persönlichen Umgang mit dem Personal zu legen. Interesse für die persönliche Situation, konstruktives Feedback und "die Bürotür auch mal auflassen", waren konkrete Ratschläge. Zur Mitarbeiterzufriedenheit beitragen könnten auch zusätzliche Urlaubstage, flexible Arbeitszeiten und das Angebot von Homeoffice. Nicht nur die Anwälte, sondern auch die Mitarbeiter, so das Fazit, verbringen die meiste Zeit des Tages in der Kanzlei – und wollen sich dort auch wohlfühlen.
[Quelle: DAV]