1. Trunkenheits- und Drogenfahrten (§ 24a StVG)
Auch bei Nichterreichen des sog. Nachweisgrenzwerts bleibt eine Ahndung wegen einer tatbestandsmäßigen Drogenfahrt nach § 24a Abs. 2 StVG möglich, sofern weitere Umstände, insbesondere drogenbedingte Verhaltensauffälligkeiten oder rauschmitteltypische Ausfallerscheinungen festgestellt werden, die es als möglich erscheinen lassen, dass der Betroffene am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl seine Fahrtüchtigkeit durch die Wirkung des berauschenden Mittels eingeschränkt war (OLG Bamberg DAR 2019, 157 m. Anm. Funke = VRR 6/2019, 20 [Deutscher]). Die bußgeldrechtliche Ahndung einer Drogenfahrt nach § 24a Abs. 2 oder Abs. 3 StVG scheidet gem. § 24a Abs. 2 S. 3 StVG (sog. Medikamenten-Klausel) aus, wenn die im Blut des Betroffenen nachgewiesene Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt, d.h. der Einfluss der Substanz allein auf der Einnahme der sich aus der ärztlichen Verordnung vorgegebenen Dosierung und auch nicht auf einer sonstigen missbräuchlichen Verwendung beruht. Bringt der Betroffene dies vor, hat sich das Tatgericht hiermit näher zu befassen, sofern es nicht von einer reinen Schutzbehauptung ausgeht. Die tatrichterliche Beweiswürdigung erweist sich deshalb als lückenhaft, wenn sich aus dem Urteil nicht ergibt, warum der Einwand als unbeachtlich angesehen worden ist (OLG Bamberg DAR 2019, 390 = NStZ 2019, 528 = VRR 4/2019, 21/StRR 4/2019, 18 [jew. Burhoff] = NZV 2019, 372 [Rinio]).
2. Das bußgeldrechtliche Fahrverbot (§§ 25 StVG, 4 BKatV)
Hinweis:
Zu Rechtsgrundlagen und Systematik des bußgeldrechtlichen Fahrverbots wird verwiesen auf Deutscher, in: Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 5. Aufl. 2018, Rn 1355 ff., 1586 ff.
a) Der Tatbestand des Fahrverbots
Ein qualifizierter Rotlichtverstoß indiziert grundsätzlich auch dann ein Regelfahrverbot, wenn dieser aufgrund irrtümlicher Zuordnung des für eine andere Fahrbahn erfolgten Grünlichts durch einen sog. Frühstarter begangen wird (OLG Karlsruhe DAR 2019, 215 = VRR 5/2019, 20 [Deutscher] unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung). Ein sog. Mitzieheffekt soll den Fahrlässigkeitsvorwurf beim Rotlichtverstoß laut KG (NStZ 2019, 291 = DAR 2019, 394) allenfalls dann verringern, wenn der Betroffene zunächst rechtstreu an der Lichtzeichenanlage anhält, dann aber, z.B. veranlasst durch das Anfahren anderer Verkehrsteilnehmer, unter Nichtbeachtung des Rotlichts losfährt ("Sog-Wirkung"; zu einem "Umfahrungsfall" OLG Bamberg VRR 4/2019, 21 [Deutscher]). Macht der Betroffene anlässlich eines ihm vorgeworfenen und mit einem Regelfahrverbot geahndeten Abstandsverstoßes geltend, auf die Funktion eines in seinem Fahrzeug als Bestandteil eines Fahrerassistenz-Pakets verbauten sog. Abstandspiloten vertraut zu haben, ist dies mit der ordnungsgemäßen Erfüllung der Pflichten eines Fahrzeugführers unvereinbar; erst recht scheidet die Anerkennung eines privilegierenden sog. Augenblicksversagens aus (OLG Bamberg zfs 2019, 294).
b) Die Angemessenheit des Fahrverbots
Bei abhängig Beschäftigten ist die Anordnung eines Fahrverbots unangemessen, wenn dies zum Verlust des Arbeitsplatzes führen würde und die drohende Existenzgefährdung nicht durch anderweitige, zumutbare Maßnahmen abgewendet werden kann, etwa durch Verbüßung während des Urlaubs unter Berücksichtigung des bis zu viermonatigen Vollstreckungsaufschubs nach § 25 Abs. 2a StVG. Die Androhung einer offensichtlich rechtswidrigen Kündigung durch den Arbeitgeber rechtfertigt kein Absehen vom Fahrverbot (so KG DAR 2019, 391 m. Anm. Krenberger). Berufliche Schwierigkeiten durch ein Fahrverbot im Rahmen eines Nebenjobs, durch den ein stellvertretender Filialleiter eines Getränkemarkts monatlich 300 bis 400 EUR verdient, sind nicht ausreichend, um von einem Regelfahrverbot absehen zu können (AG Dortmund BA 56, 208 = NZV 2019, 316 [Deutscher]). Bei drei gewichtigen Verkehrsverstößen innerhalb von wenig mehr als einem halben Jahr, von denen einer bereits mit einem Fahrverbot geahndet wurde, ist die Anordnung eines Fahrverbots auch bei Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz geboten (OLG Karlsruhe NStZ 2019, 530 = NZV 2019, 486 [Krenberger]).
3. Geschwindigkeitsverstöße (§ 3 StVO)
a) Messverfahren
Auch im Berichtszeitraum waren die Grundsätze zum standardisierten Messverfahren und deren Auswirkungen auf das Bußgeldverfahren von herausragender Bedeutung. Dabei handelt es sich um ein durch Normen vereinheitlichtes technisches Verfahren, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind (BGHSt 39, 291 = NJW 1993, 3081, 3083; BGHSt 43, 277 = NJW 1998, 321, 322). Insofern gilt ein Regel-Ausnahme-Verhältnis: Ohne konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler genügt das Gericht mit der Feststellung von Messverfahren und Toleranzabzug seiner Aufklärungs- und Darstellungspflicht (Regelfall; zum Toleranzabzug OLG Hamburg NZV 2019, 255 m. Anm. Fromm). Anderes gilt nur bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für einen Messfehler (Ausnahme), wofür es regelmäßig konkreter, einer Beweiserhebung zugänglicher Einwände des Betroffen...